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THTR Rundbrief Nr. 94 Okt. 2004
HKG: Nach Messstreifenlücke 1986 jetzt auch noch Gedächtnislücke!
Auszug aus der Chronologie der HKG auf ihrer aktuellen Internetseite:
1968/70: | Gründung der HKG |
05.1971: | 1. Teilerrichtungsgenehmigung, Baubeginn |
13.09.1983: | 1. Nukleare Kettenreaktion |
09.04.1985: | Genehmigung 7/11 b Leistungsversuchsbetrieb |
16.11.1985: | 1. Einspeisung ins öffentliche Netz |
29.09.1988: | Abschaltung zur Revision |
09.1989: | Stillegungsbeschluss durch Bund, Land, HKG, Gesellschafter |
26.09.1989: | Genehmigungsantrag zur Stilllegung (...) |
Ja, Sie haben richtig gelesen. Zwischen 1985 und 1988 gibt es von Seiten der ehemaligen Betreiber des THTR´s keinerlei Hinweis auf den aufsehenerregenden Störfall, über den selbst Umberto Eco aus dem fernen Italien in der Wochenzeitschrift "Die Zeit" am 18.7.1986 schrieb.
Unser Webmaster Werner Neubauer kommentierte die unglaubliche Geschichtsklitterung der HKG auf unserer Homepage folgendermaßen: "thtr.de hat den erwarteten Inhalt bekommen ..." und warf der HKG Desinformation vor. Herr Dietrich lud Werner Neubauer per E-Mail zum Gespräch nach Hamm-Uentrop ein, was dieser dankend mit der Bemerkung ablehnte, dass die Betreiber bei ihm jegliches Vertrauen verspielt hätten. Damit nicht genug, meldete sich ...
Günter Dietrich, technischer Geschäftsführer der HKG am 16.8.2004 per E-Mail bei Horst Blume.
Hier der erstaunliche Inhalt.
Zitat Anfang
" (...) Ich darf mein Angebot zu einem Treffen in Hamm-Uentrop erneuern, insbesondere an Sie Herr Blume, da ja Herr Neubauer so etwas für nicht erforderlich hält. Unsere Internet-Seiten enthalten Fakten und werden nicht auf vermeintliche, zukünftige Kosten und/oder Risiken eingehen.
Wir haben die Kosten der Vergangenheit und die der laufenden Phase einschließlich der Kostentragung durch die Beteiligten dargestellt. Die von Ihnen möglicherweise gedachten "Steuerzahlerkosten" z.B. für die Endlagerung sind aufgeführt, soweit sie die bisherige und die laufende Phase betreffen (Endlagervorausleistung).
Der von Ihnen angesprochene "Störfall" aus dem Jahre 1986 war kein Störfall sondern ein "meldepflichtiges Vorkommnis der Kategorie N". Die immer wieder kolportierten Freisetzungen und die daraus resultierenden radioaktiven Immissionen betrugen 1/5.000 stel der natürlichen und zivilisatorischen Belastung, lagen unterhalb der genehmigten Tages- und Halbjahreswerte und standen zu den zum gleichen Zeitpunkt auf uns durch den Reaktorunfall in Tschernobyl niedergegangenen Immissionen im Verhältnis 1:500.000. Dies ist mit der damaligen Meldung und mit dem zur Stilllegung der Anlage THTR 300 eingereichten Sicherheitsbericht dargelegt worden und 1986 und auch bei der Stilllegung von Gutachter und Behörde zur Kenntnis genommen und bestätigt worden.
Ich bitte daher, der Wahrheit zuliebe, hier die richtigen Fakten zu akzeptieren und nicht immer wieder die gleichen falschen Behauptungen zu wiederholen.
Die beim Probebetrieb der Anlage THTR 300 aufgetretenen Schwierigkeiten, die bei einem Prototyp naturgemäß auch zu erwarten sind, sind in zahlreichen Veröffentlichungen, u.a. von meinen Geschäftsführer-Vorgängern Prof. Knizia und Dr. Bäumer, beschrieben worden. Es sind also nicht "gefilterte Informationen" und Tricks, die wir weitergeben.
Es bestehen jedoch sicher unterschiedliche Auffassungen darüber, was man in eine "web-site" hineinpackt und was nicht. Gleichwohl möchte ich mein Angebot an Sie wiederholen, uns in Hamm Uentrop zu treffen."
Zitat Ende
-- Anmerkung Werner Neubauer: Wo kommt denn nun eigentlich dieser Messwert her? Ich dachte das Messinstrument war zur fraglichen Zeit ausgefallen? -
Warum werden wir ausgerechnet jetzt von den ehemaligen Betreibern des THTR angesprochen, wie kommen wir zu der Ehre?? Über die Vor- und Nachteile der HTR-Linie wird mittlerweile weltweit diskutiert, da verschiedene Energiekonzerne den HTR wieder bauen wollen. Es gefällt der HKG nicht, das wir über Internet für Jeden zugänglich kritische Informationen über den THTR verbreiten. – Und was macht man mit Kritikern? Mit ihnen diskutieren, sie beschäftigen, sie ablenken, damit sie nicht mehr so viel in den Medien präsent sind. Wer beim Tee nett über technische Detailprobleme fachsimpelt, ist hinterher nicht mehr so bissig. Gleichzeitig kann die HTR-Lobby im EU-Dunkel vollendete Tatsachen schaffen und muss sich keine Sorgen machen, dass Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Pleitereaktors mögliche Investoren irritieren.
Horst Blume
HTR-Brennstoffkugeln werden doch wieder produziert! |
Noch am 5.9.2004 hatte Gerhard Schmidt vom Ökoinstitut in der FAZ-Sonntagszeitung die beruhigende Nachricht verbreitet: "Im Moment stellt niemand die nötigen Graphitkugeln her" (siehe THTR-RB Nr. 93). Bereits zwei Wochen später berichtete die "atw" in ihrer September-Beilage "European Nuclear Features" das Gegenteil!
In der englischsprachigen Zeitschrift, die atw zusammen mit "Nuclear Espana" und "Revue Generale Nucleaire" (Frankreich) herausgibt, befand sich ein drei Seiten langer Artikel über die HTR-Linie von D. Hittner (HTR-TN, Framatome ANP) und M. T. Dominguez (Empresarios Agrupados). In ihm heißt es: "Unter Berücksichtigung bisheriger Erfahrungen haben das Forschungszentrum Karlsruhe und das CEA in Frankreich das Know-how älterer Verfahren GSP (Gel Support Precipitation) und HMTA (Hex-Methylene Tetra Amine) auf den neuesten Stand gebracht. Die ersten coated particles (Brennstoffteilchen, PAC-Kügelchen, ca. 30.000 befinden sich in einem Kugelbrennelement, THTR-RB) wurden durch CEA im Jahre 2003 mit UO2 (niedrig angereichert, THTR-RB) hergestellt und Karlsruhe lieferte ihre ersten Kerne mit Plutonium Anfang 2004. Diese Aktivitäten werden im sechsten EU-Rahmenprogramm fortgesetzt, um den Herstellungsprozess mit neuem Brennstoff weiterzuführen."
CEA ist der französische Konzern "Commissariat a l´Enegie Atomique", der mit Framatome, Cogema, Siemens und KWU zu dem Dachkonzern AREVA fusionierte. AREVA soll den PBMR nach Südafrika liefern (siehe THTR-Rundbrief Nr. 89).
Die EU-Kommission antwortet: Mit Volldampf weiter für den HTR! |
Auf die von der EU-Abgeordneten Hiltrud Breyer am 22.4.2004 gestellten Fragen zur Hochtemperaturreaktor-Förderung antwortete am 1.10. 2004 die EU-Kommission. Wir dokumentieren:
1. Wenn eine solche Förderung stattgefunden hat, von wem wurden die Anträge für die Förderung gestellt und von welcher Stelle wurden sie bewilligt? Was waren die Ausschlaggründe für die Genehmigung?
Eines der Themen des spezifischen Programms zur Kernenergie des Fünften Euratom-Rahmenprogramms (RP5) (1998-2002) war die "Sicherheit und Effizienz künftiger Systeme". Forschungsarbeiten zu Hochtemperaturreaktoren (HTR) waren Teil des Arbeitsprogramms zur Durchführung des spezifischen Programms. Mehrere europäische Forschungseinrichtungen und Unternehmen haben sich auf die Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des Arbeitsprogramms hin im Oktober 1999 und im Januar 2001 beworben. Die Kommission wählte die finanziell zu unterstützenden Forschungsvorschläge auf der Grundlage einer qualitativen Bewertung durch unabhängige Sachverständige aus.
2. Handelt es sich bei dieser Förderung um eine einmalige Zahlung aus dem Jahre 2001 oder gab es vorher oder nachher noch andere Förderungen? Wenn dies der Fall ist, wie hoch waren diese Förderungen?
Etwa 50% der 17 Mio. € zur Unterstützung der HTR-Forschung hat die Kommission bereitgestellt, die anderen 50% haben die europäischen Forschungseinrichtungen aufgebracht, die an den Forschungsprojekten teilnahmen. Von den 8,5 Mio. €, die die Kommission zur Verfügung stellte, wurden 4 Mio. im Haushalt des Jahres 2000 und 4,5 Mio. im Haushalt 2001 gebunden. Die Zahlungen werden in Tranchen entsprechend dem Fortschreiten der Projekte geleistet. Die Projektdauer beträgt drei bis vier Jahre.
3. Für welche Projekte wurde das Geld bewilligt und welche Forschungsinstitutionen wurden mit dieser Aufgabe betraut?
Die HTR-Forschungsprojekte des fünften Rahmenprogramms sind: HTR-N/N1 (Reaktorphysik, Abfall- und Brennstoffzyklus), HTR-F/F1 (Brennstofftechnologie), HTR-M/M1 (Werkstoffe), HTR-E (Bauteile und Systeme), HTR-L (Sicherheitssystem und Genehmigungen) , HTR-C (Koordinierung) und HTR-ECS (Eurocourse). Die von Joel Guidez in seinem Artikel vom 7. August 2001 in der Zeitschrift 'Nuclear Worldscan' genannten Forschungseinrichtungen und Unternehmen sind die wichtigsten Projektteilnehmer.
4. Was sind die Beweggründe für die Förderung von Weiterentwicklung und Forschung von Hochtemperaturreaktoren in Europa? Was ist das Forschungsziel?
Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Sicherheit und Effizienz von HTR werden aufgrund der inhärenten Sicherheitseigenschaften der Reaktoren, deren Potenzial zur Erzeugung von Elektrizität zu wettbewerbsfähigen Preisen, des Potenzials für den Einsatz bei Hochtemperaturprozessen in der Industrie sowie der Tatsache, dass ihr Brennstoff nur äußerst schwer für die Verbreitung von Kernwaffen verwendet werden kann, unterstützt. Hauptziel der Forschung im Rahmen des RP5 ist die Entwicklung fortschrittlicher Konzepte für Sicherheit und Effizienz im Hinblick auf eine neue HTR-Generation.
5. Sind die negativen Erfahrungen bei dem THTR Hamm-Uentrop (beispielsweise der Störfall im Jahre 1986 zeitgleich mit Tschernobyl) bei der Bewertung der Förderungswürdigkeit mit einbezogen worden?
Bei dem Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR) in Hamm-Uentrop handelte es sich um einen Demonstrationsreaktor, der ursprünglich für Hochtemperaturanwendungen geplant war. Aus dem Betrieb des THTR konnten trotz einiger "Kinderkrankheiten" wichtige positive Erkenntnisse gezogen werden. Das THTR-Projekt wurde ergänzt durch die im Hinblick auf Sicherheit und Leistung positiven Ergebnisse des Prototypreaktors der Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor (AVR) Jülich sowie durch den Betrieb verschiedener gasgekühlter Reaktoren im Vereinigten Königreich, Frankreich und den Vereinigten Staaten. Die im Rahmen des RP5 ausgewählten Projekte für Forschung und Entwicklung zu innovativen Konzepten für die nächste HTR-Generation werden sich u. a. auf die Erfahrungen aus dem THTR-Projekt stützen.
6. Wurden die deutsche Bundesregierung und das Bundesland Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Bewilligung der Förderungsmittel bezüglich ihrer Erfahrungen mit dieser Reaktorlinie befragt?
Der beratende Ausschuss für das Forschungs- und Ausbildungsprogramm (Euratom) im Bereich der Kernenergie (Kernspaltung), in dem die Regierung der Bundesrepublik Deutschland vertreten ist, wurde von der Kommission zu den Finanzierungsvorschlägen für Forschungsprojekte konsultiert.
7. Sind für die Zukunft weitere Forschungen und Förderungen von Hochtemperaturreaktoren vorgesehen? Wenn eine weitere Förderung geplant ist, was ist das Forschungsziel?
Im Sechsten Rahmenprogramm (RP6) sind weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zur Sicherheit und Effizienz von HTR vorgesehen. Die HTR-Forschung ist mittelfristig angelegt, und die Ziele sind weitgehend die gleichen wie im RP5. HTR-Forschungsprojekte des 6. Rahmenprogramms stellen einen Beitrag von Euratom zum V(very)HTR-System des Generation IV International Forum (GIF) dar. GIF ist eine Rahmenorganisation für eine internationale Forschungszusammenarbeit zur Entwicklung der künftigen Generation von Kernenergiesystemen, die 2030 einsatzbereit sein sollen.
Kommentar: Die EU will einsatzbereite, neue HTRs! |
Die europäischen Forschungseinrichtungen sind nach Angaben der Europäischen Kommission "aufgefordert" worden, Vorschläge für eigene Projekte an der HTR-Forschung zu machen. Dass zuvor offensichtlich ein Grundsatzbeschluss zur Förderung der HTR-Linie gefasst werden musste, wird hier dezent verschwiegen. Folglich lässt die EU-Kommission den gezielten Aufbau dieser speziellen Nuklearlinie als ganz normales, laufendes Geschäft der EU-Verwaltung erscheinen, bei dem die europäischen Forschungsinstitutionen gar nicht anders können, als dieser "Aufforderung" Folge zu leisten.
In Wirklichkeit nutzt die HTR-Lobby die EU-Ebene geschickt für ihre eigenen Interessen aus, weil es angesichts des langfristig geplanten "Ausstiegs" in Deutschland etwas schwieriger geworden ist, Gelder für die Atomforschung zu erhalten. Mit dem Hinweis auf die übergeordnete EU können die deutschen Forschungsinstitutionen im eigenen Land ihre fortgesetzte Nuklearforschung mit "Sachzwängen" und Vorgaben der EU-Kommission begründen und damit jegliche eigene Verantwortung weit von sich weisen.
Als einziger der vier Gründungsverträge der EU ist der Euratom-Vertrag 1957 nie geändert und damit die Förderung der Atomenergie festgeschrieben worden. Die Atomindustrie hat die EU zu ihrem ureigensten Instrument gemacht. Von hier aus kann also gar nichts anderes als bedingungslose Nuklear-Förderung ausgehen – es sei denn, die Vorgaben würden grundlegend geändert. Auf Letzteres hinzuwirken, hat der grüne Außenminister Fischer als wirtschaftlich mächtigster Vertreter im Europäischen Konvent im Jahre 2003 bei den Verfassungsberatungen unterlassen. Die Folge ist, dass der EU-Industrieausschuss nicht nur die Erhöhung der Nuklear-Kredite von 4 auf 6 Milliarden Euro, sondern auch deren ausdrückliche Verwendung für den Bau neuer Atomkraftwerke empfahl.
Die EU-Kommission bestätigt, dass jeweils die Hälfte der 17 Mio. Euro für die HTR-Forschung von der EU und den europäischen Forschungsinstituten finanziert wurden. Berücksichtigt man, dass Deutschland der größte Einzahler in die EU-Fördertöpfe ist und dass das maßgeblich in die HTR-Forschung eingebundene Forschungszentrum Jülich mit 4.200 Mitarbeitern das größte interdisziplinäre Forschungszentrum Europas ist, so ist festzustellen, dass deutsche Gelder für die HTR-Forschung lediglich einen Umweg über die EU genommen haben!
Die EU-Kommission behauptet, dass der HTR "nur äußerst schwer für die Verbreitung von Kernwaffen verwendet werden kann". Hingegen hat im HTR-Herkunftsland Deutschland der ehemalige Vorsitzende der Reaktorsicherheitskommission Lothar Hahn auf die gravierenden militärischen Implikationen dieser Reaktorlinie hingewiesen und in mehrere hundert Seiten umfassenden Gutachten Folgendes klargestellt:
- Es ist möglich, während des laufenden Reaktorbetriebes Uran abzuzweigen, da die tennisballgroßen, nichtmarkierten Kugelbrennelemente besonders handlich sind und unbemerkt gegen Blindelemente ausgetauscht werden können.
- Innerhalb von zwei Betriebsmonaten kann das radioaktive Material für eine Atombombe produziert werden.
- Das bei der HTR-Linie entstehende radioaktive Tritium ist besonders wichtig, um die Sprengkraft von Atombomben zu erhöhen und fällt nicht unter den Atomwaffensperrvertrag und unterliegt damit keiner internationalen Kontrolle. (Ausführlich hierzu der THTR-Rundbrief Nr.: 86)
- Hahn hat weiterhin detailliert nachgewiesen, dass die HTR-Linie nicht weniger Risiken in sich birgt, sondern nur grundlegend andere. (Siehe Gutachten v. Lothar Hahn)
Die EU-Kommission bezeichnet die beispiellose Pannenserie und den Störfall 1986 im THTR verharmlosend als "Kinderkrankheit", aus der "positive Erkenntnisse" gezogen werden sollen. Die einzig richtige positive Erkenntnis, die Bund und Land in Deutschland nach langem Zögern umgesetzt haben, war seine Stillegung im Jahre 1989!
Die EU-Kommission betont, dass der beratende Euratom-Ausschuss für den Bereich Atomkraft, in dem auch Deutschland vertreten ist, zur HTR-Förderung "konsultiert" wurde. Unklar bleibt, wie sich die Vertreter der deutschen Regierung hier konkret verhalten haben.
Nach dem vergangenen fünften Euratom-Rahmenprogramm legte sich die EU-Kommission fest, auch beim aktuellern sechsten Rahmenprogramm (2003 bis 2007) die HTR-Forschung zu fördern. Ihr erklärtes Ziel ist es, dass das "HTR-Kernenergiesystem" im Jahre 2030 einsatzbereit sein soll!
Während das deutsche Forschungsministerium in ihrer Antwort auf unsere Fragen am 20. 7. 2004 hartnäckig leugnet, das das FZ Jülich "eine Intensivierung dieser Forschungslinie auf EU-Ebene" verfolgt, verkündet die EU-Kommission in ihrer Antwort das genaue Gegenteil!
Wenn in den nächsten Monaten der siebte Rahmenplan (2007 bis 2013) in der EU verhandelt wird, werden die nächsten Weichen für die weitere Förderung der HTR-Linie gestellt werden. Und was sagt die rotgrüne Bundesregierung dazu?
Horst Blume
"Kompetenzverbund Kerntechnik" forscht weiter an Hochtemperaturreaktoren! |
Die Energieversorgungsunternehmen haben sich selbst mit dem (extrem langfristig angelegten) "Ausstieg" aus der Atomenergie durch die rotgrüne Bundesregierung nie wirklich abgefunden. In dem Flugblatt "Forum in Berlin" von dem Atomwirtschaft-Verlag "Inforum" wurde in diesem Jahr die Losung ausgegeben: "In der Politik ist nichts unumkehrbar". Gert Maichel, Mitglied des RWE-Vorstandes und Präsident des Deutschen Atomforums, hat auf der Wintertagung dieses Forums in diesem Jahr klargemacht, dass die Atomindustrie sich nicht abwickeln lässt, sondern schon heute an verbesserten Startbedingungen für den Neueinstieg in moderne Reaktorgenerationen arbeitet (atw 3/2004).
Hierbei setzt sie ausgerechnet auf die Zusammenarbeit und Weiterentwicklung von Strukturen, die die rotgrüne Bundesregierung neu geschaffen hat, um die Nutzung dieser gefährlichen Energieform die nächsten Jahrzehnte auslaufen zu lassen. Das Zeitfenster sieht demnach folgender maßen aus: Bis mindestens 2022 sind noch Atomkraftwerke in Deutschland in Betrieb, wahrscheinlich wegen der gegenseitigen Anrechnung der Restlaufzeiten noch viel länger. Darüber hinaus gibt es für die Zwischenlagerung abgebrannter Brennelemente , den Anlagenrückbau und "Entsorgung" und Endlagerung der radioaktiven Abfälle noch jahrzehntelang Bedarf an Fachleuten.
Aus diesem Grunde hat die rotgrüne Bundesregierung im Herbst 1999 eine Evaluierungskommission eingesetzt, die darauf achten sollte, dass fleißig im Atomenergiebereich weitergeforscht und –gelehrt wird, damit das Know-how auf diesem Gebiet in Zukunft erhalten bleibt. Im Jahre 2000 kam diese Kommission natur gemäss in ihrem Abschlussbericht zu der Empfehlung, dass der "Schutzauftrag staatlicher Vorsorge" nur dann erfüllt werden kann, wenn mehr für den "Kompetenzerhalt in kerntechnischer Sicherheit" getan würde!
Die rotgrüne Bundesregierung reagierte auf die Wünsche der Atomindustrie sofort und richtete am 16. März 2000 den "Kompetenzverbund Kerntechnik" ein, um die Zusammenarbeit der Forschungseinrichtungen zu intensivieren. Dieser Verbund besteht aus:
- Forschungszentrum Jülich (RWTH Aachen, FH Aachen/Jülich)
- Forschungszentrum Karlsruhe (Uni Heidelberg, Karlsruhe, Stuttgart)
- Forschungszentrum Rossendorf (TU Dresden, FH Zittau/Görlitz)
- Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (TU München)
Wenige Monate später schlugen die Mitglieder des Verbundes Alarm und sagten einen Abbau der Arbeitsplätze für das Fachpersonal von 16.500 auf 13.000 voraus (atw 6/2004). Besonders dramatisch sei der Rückgang an kerntechnisch orientierten Hochschulabsolventen, was zu einem reduzierten Lehrangebot an den Hochschulen geführt habe.
Besonders schwer im Magen lag den Atomfreunden der anstehende altersbedingte Abgang des HTR-Spezialisten Prof. Kugeler bei der RWTH Aachen und beim Forschungszentrum Jülich. Dieses Problem wird zur Zeit durch die Einrichtung einer Stiftungsprofessur gelöst (atw 6/2004).
Der zweimal jährlich tagende "Kompetenzverbund Kerntechnik" steckt sich mittlerweile ehrgeizige Ziele. Er hält "eine gezielte Werbeinitiative für notwendig, um Top-Studenten für nukleare Sicherheitsforschung zu gewinnen". Spezielle Workshops, Bereitstellung von Doktorandenstellen, Kolloquien "Perspektiven der Kerntechnik", Aufbau einer virtuellen Europäischen Nuklearuniversität – das alles ist schon geschaffen worden. Ab dem Wintersemester 2004/05 wurde an der Technischen Uni München ein völlig neuer Kurs zur Kerntechnik eingerichtet.
Da es zur Zeit nicht immer ganz so einfach ist, von der rotgrünen Bundesregierung Geld für atomare Forschungsprojekte zu erhalten, werden über sogenannte Drittmittel der Atomindustrie Doktorandenstellen geschaffen. Bei diesem "Patenschafts-Konzept" finanzieren einzelne Betreiber und Hersteller (Framatome ANP) qualifizierte Hochschulabsolventen als Doktoranden" gleich selbst und verpflichten diese für die Zukunft, in dem entsprechenden Konzern zu arbeiten.
Trotz "Atomausstieg" ist auf diese Weise eine unbegrenzte Weiterforschung in allen nuklearen Bereichen in Zukunft möglich, wie die Atomindustrie selbst zugibt: "In seiner Stellungnahme vom 16. Juli 2003 an das BMWA (Wirtschaftsministerium, H. B.) hält der Kompetenzverbund eine Mitwirkung deutscher Wissenschaftler aus öffentlich geförderten Forschungseinrichtungen an Generation IV und vergleichbaren internationalen Projekten für notwendig, um sich an dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu orientieren und die Übertragbarkeit innovativer Sicherheitsansätze für zukünftige Reaktoren und weiterer ‚Spin-off´s‘ auf bestehende Reaktoranlagen in Deutschland überprüfen zu können. Da sich diese Einschränkung allerdings nur auf diejenigen Mitarbeiter, die aus öffentlichen Mitteln bezahlt werden bezieht, wurden Möglichkeiten der externen Finanzierung geprüft. Im Ergebnis können die über die Betreiber und Hersteller finanzierten Doktoranden genau diese attraktiven Themen bearbeiten."!
Durch den Einsatz eigener, keiner gesellschaftlichen Kontrolle unterstehender Finanzmittel kann die Atomindustrie einfach bestehende Ausstiegsgesetze ignorieren und auf internationaler Ebene an der Entwicklung des Very-High-Temperature Reactor System (VHTR) mitarbeiten. Die atw sagt es in ihrer Ausgabe 6/2004 ganz offen: "Somit können – wenn auch über einen komplizierten Umweg – zumindest teilweise auf Sicherheitskonzepte zukünftiger Anlagen im Ausland Einfluss genommen werden und evtl. neue Erkenntnisse auf eine Anwendbarkeit in Deutschland überprüft werden."
Bereits in seinem Bericht vom 9. Juli 2003 hat sich der Kompetenzverbund Kerntechnik" auf Seite 77 für die Jahre 2002 bis 2006 eindeutig für die weitere Forschung an Hochtemperaturreaktoren ausgesprochen: "Ziel der Arbeiten zu Hochtemperaturreaktoren ist der Erhalt einer Mindestkompetenz für die Beobachtung, Bewertung und Einflussnahme auf die Sicherheitsphilosophie zu modularen Hochtemperaturreaktor-Projekten, die aktuell in anderen Ländern durchgeführt werden. Dazu werden wissenschaftliche Beiträge zur Nutzung der dem modularen HTR innewohnenden Sicherheitseigenschaften mit industrieller Unterstützung durchgeführt." Wenn also im Jahre 2006 die neue CDU/FDP-Bundesregierung im Amt ist, kann sie sich bei der alten Rotgrünen für den atomaren "Kompetenzerhalt" bedanken und konsequent an der Realisierung neuer Hochtemperaturreaktoren weiterarbeiten!
Horst Blume
Gorleben: Gegen den neuen Castortransport wird es am 6. November in Dannenberg eine Auftaktkundgebung geben. Am 8.11.2004 könnte der Transport in Lüneburg eintreffen. Infos: www.x1000malquer.de
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