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THTR Rundbrief Nr. 142, Dez. 2013
Inhalt:
Der Film „High Power“ über die Auswirkungen der Atomkraft in Indien
Kudankulam: Gewaltfreier Widerstand gegen AKW´s in Südindien
Kritik unerwünscht: Regierung dreht Zivilgesellschaft den Geldhahn zu
Nuclear Lies: Indischer Film braucht Spenden
THTR-Brennelemente sind erstklassiges Atombombenmaterial!
THTR: Sicher bleibt nur die radioaktive Strahlung! Kosten der Stilllegung
Störfälle im Kohlekraftwerk Hamm
SPD-Kohle-Kraft macht Energiekonzerne glücklich
Auswirkungen der Atomkraft in Indien:
Betrogen, vertrieben, krank und verarmt
In der Film-Dokumentation „High Power“ verdeutlichen Interviews mit Anwohnern Auswirkungen der Atomkraft
Wie verheerend sich das seit 1967/68 laufende Atomkraftwerk Tarapur an der indischen Westküste auf Mensch und Umwelt auswirkt, beschreiben eindringliche Interviews eines Besuchers mit zornigen Bewohnern und beklemmende Aufnahmen in Pradeep Indulkars Dokumentation „High Power“.
Seit 1999 protestieren die Einwohner der Dörfer um Tarapur gegen das Kernkraftwerk. Die Regierung versprach ihnen Arbeit und den Ausbau der Infrastruktur, belog und betrog sie damit aber, denn sie haben keinen Strom, obwohl sie in direkter Nähe des Kraftwerks wohnen. Als sie protestierten, vertrieb die Polizei sie gewaltsam aus ihren Dörfern und machte ihre Häuser mit Bulldozern platt. Das heiße Kühlwasser vernichtete alle Fische in den Küstengewässern, sodass die Fischer mit Motorbooten weit hinausfahren müssen, um nur wenige winzige Fische zu fangen, die keiner kaufen will.
Die meisten Dorfbewohner wurden arbeitslos und verarmten. Viele leiden an vorher unbekannten Krankheiten wie Krebs, Herz-, Atemwegs- und Nierenleiden, Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten, hoher Säuglingssterblichkeit, Gehirnschäden und Behinderungen. Bäume und Früchte wachsen deutlich langsamer und werden nur noch halb so groß, sodass sich die Ernte halbierte. Dort, wo Starkstromleitungen verlaufen, besteht in einem etwa 25 Meter breiten Streifen Lebensgefahr. Die rund 30 Zuschauer im Kommunalen Kino schweigen erst betroffen, dann stellen sie dem Regisseur verschiedene Fragen, dessen Antworten Antiatomkraft-Aktivist Peter Hauck übersetzt und ergänzt.
Wurde die Radioaktivität in Tarapur gemessen?
„Die indische Regierung kontrolliert und überprüft die Kraftwerke, veröffentlicht aber keine Ergebnisse“, so die Antwort. Ausländische Wissenschaftler dürfen nicht (wieder) einreisen, wie ein US-Geologe, der das Erdbebengebiet um Jaitapur untersuchte, wo das größte Atomkraftwerk der Welt gebaut werden soll. Die von einem Arzt und Aktivisten gemessene erhöhte Radioaktivität wird nicht anerkannt. Darum planen europäische Antiatomaktivisten Messungen durch ein Expertenteam, um öffentlichen Druck aufzubauen, kündigt Hauck an.
Was halten die Inder von der Atomenergie?
Trotz der Katastrophe von Fukushima sei die öffentliche Meinung in Indien wegen der Regierungspropaganda noch überwiegend für Atomenergie, auch berichteten die Medien meist regierungsfreundlich, berichtet Indulkar. „Darum habe ich den Film gedreht, um meine Landsleute über die Wahrheit aufzuklären.“
Inzwischen konnte er „High Power“ in Mumbai zeigen: „Die Zuschauer reagierten wie erhofft, wurden nachdenklich und gehen bewusster mit Strom um.“ Da die Stromversorgung staatlich über ein zentralisiertes Netz erfolgt, können Inder nicht den Stromanbieter wechseln, doch protestieren sie gewaltfrei zu Tausenden mit Mahnwachen, Hungerstreiks und bewusster Übertretung von Verboten, um ihre Verhaftung zu provozieren und damit die Behörden zu überfordern.
Wie ist Deutschland involviert?
Die internationale Atomindustrie sei eng verflochten, darum sei Deutschland beteiligt an neuen Kernkraftwerksprojekten, für die Firmen aus Europa, USA und Russland Komponenten liefern. Zwar sei der Antrag auf Hermesbürgschaften der deutschen Regierung zur Förderung des Projekts Jaitapur noch nicht entschieden, doch argumen-tiert laut Hauck die Gewerkschaft IG Metall dafür, weil damit deutsche Arbeitsplätze gesichert werden. Mit welcher Technologie arbeiten indische Atomkraftwerke? Das indische Atomprogramm besteht aus drei Phasen: Derzeit arbeiten Schwerwasserreaktoren mit Natururan, künftig sollen schnelle Brüter, „eine Technologie, die weltweit nicht funktioniert“, mithilfe natürlicher Thoriumvorkommen Energie erzeugen, so Hauck. Atommüll gelte als Brennstoff, darum sei eine zentrale Wiederaufbereitungsanlage unter internationaler Kontrolle geplant.
Nutzt Indien auch erneuerbare Energien?
Zurzeit seien Kohle, Gas, Öl und Großwasserkraft die Hauptenergiequellen Indiens, der Anteil der erneuerbaren Energien mit Solar- und Windkraftanlagen liege bei etwa 12 Prozent, die Atomkraft mache nur etwa 3,5 Prozent aus. Da Atomkraft teuer ist, die Preise zur Gewinnung erneuerbarer Energien aber sinken, hofft Hauck, dass Indien aus wirtschaftlichen Gründen seine Energiepolitik ändert und künftig Strom aus Sonne und Wind gewinnt. Abschließend setzen eini-ge Besucher des Abends ein Zeichen der Solidarität mit der indischen Antiatombewegung und unterschreiben ein Transparent mit der Botschaft „Stop Jaitapur“.
Elisabeth Klaper am 27. 9. 2013 in der „Murrhardter Zeitung“ über eine der 30 Veranstaltungen in der BRD und Frankreich mit Pradeep Indulkar. Weitere Infos über Jaitapur in „Le Monde diplomatique“:
http://www.monde-diplomatique.de/pm/2011/04/08/a0046.text.name,askPOarE9.n,0
Kudankulam: Weiterhin gewaltfreier Widerstand gegen Atomkraftwerke in Indien |
Erstmals erreichte Block 1 des Atomkraftwerkes Kudankulam im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu am 13.Juli 2013 einen kritischen Zustand. Die Reaktorleistung soll schrittweise auf 1000 Megawatt erhöht werden. Der zweite Reaktor soll nächstes Jahr hochgefahren werden.
Die beiden Druckwasserreaktoren des Typs VVER-1000 wurden vom russischen Atomkonzern Rosatom geliefert. Über einen dritten und vierten Block wird derzeit verhandelt. Insgesamt sechs Atomanlagen sind für Kudankulam geplant.
Die Menschen in der Region leisten bewusst gewaltfreien Widerstand gegen die Atomanlage. Seit zwei Jahren führen sie in dem Fischerort Idinthakarai einen Ketten-Hungerstreik durch, immer wieder ergänzt durch unbefristete Hungerstreiks und andere gewaltfreie Maßnahmen in der Tradition Gandhis.
Mit Straßenblockaden erreichten sie im Herbst 2011 einen Baustopp. Dieser wurde im März 2012 durch ein riesiges Polizeiaufgebot beendet. Idinthakarai, das Zentrum der Widerstandsbewegung mit mehr als 10.000 BewohnerInnen, wurde für einige Tage komplett von der Außenwelt abgeschnitten. Ein freier Zugang dorthin ist auch heute noch nicht möglich. Fast alle Leute im Küstengebiet leben unter einfachsten Bedingungen: sauberes Trinkwasser ist nicht einfach und Strom nur für Einzelne verfügbar.
Ein Friedensforscher muss abtauchen
Trotz der Abriegelung des Gebietes um Idinthakarai konnten wir per E-Mail Dr. S.P. Udayakumar zur aktuellen Situation befragen. Er wurde 1959 in Nagercoil nahe Idinthakarai geboren und beendete sein erstes Studium an der Uni Kerala 1981. Später unterrichtete er jahrelang Englisch in Äthiopien und schloss 1996 sein Aufbaustudium an der Uni Hawaii mit einem Ph.D. der Politikwissenschaften ab. In mehreren Ländern dozierte er zu gewaltfreier Konfliktlösung, Friedensforschung und nachhaltiger Entwicklung. Udayakumar engagiert sich seit Ende der 1980er Jahre gegen Atomkraft und ist Sprecher der PMANE (People’s Movement Against Nuclear Energy).
2002 gründete er in seinem Geburtsort die „SACCER Matriculation School“, in der unterprivilegierte SchülerInnen nach ökologischen und pazifistischen Prinzipien auf die Hochschulen vorbereitet werden. Diese Schule wurde seit 2011 mehrfach von Unbekannten verwüstet. Konkrete Drohungen gegen ihn als „ausländischen Agenten“ und seine Partnerin erhält er seit langem. Den Ort Idinthakarai konnte Udayakumar nun seit mehr als eineinhalb Jahren nicht mehr verlassen, denn außerhalb droht ihm sofortige Verhaftung und möglicherweise jahrzehntelange Haft.
Der PMANE-Sprecher teilt uns mit, dass Idinthakarai weiterhin nicht mit öffentlichen Bussen zu erreichen ist, der Ort aber mit Nahrung und dem Notwendigsten durch Sammeltaxis und Privatautos versorgt wird. Kinder laufen oft kilometerweit zu ihren Schulen. Zur Gesundheitsversorgung konnten wir nichts in Erfahrung bringen.
Am 1. Juli soll ein Fernsehteam der ARD versucht haben, über die widerständige Bevölkerung zu berichten, durfte aber nicht weiterfahren. Der Aktivist bestätigt uns, dass eine deutsche Journalistin aus dem Gebiet verjagt wurde, als sie sich bei der Polizeistation in Kudankulam anmeldete. Sie sei von Geheimdienst-Mitgliedern und der örtlichen Polizei „übel belästigt“ worden.
Repression gegen Anti-Atom-AktivistInnen
Bisher wurden bereits Zehntausende von AktivistInnen in und um Idinthakarai mit insgesamt 325 Gerichtsverfahren überzogen. Beschuldigungen wie „Krieg gegen den Staat“, „Aufrührertum“, „schwerer Landfriedensbruch“ usw. wurden gegen 227.000 Menschen erhoben. Die hohe Anzahl erklärt sich auch aus Anzeigen in der Form „Frau A., Herr B. und zweitausend weitere … werden beschuldigt...“. In der Regel laufen also mehrere Verfahren gegen die oder den Einzelnen. Seit fast einem halben Jahr sitzt Herr Ganesan nun schon im Gefängnis. Er ist Mitglied des lokalen Organisationskomitees des gewaltfreien Widerstands, des „Struggle Committee“. Das oberste Gericht Indiens hatte in seinem Pro-Atom-Urteil im Mai 2013 eine Amnestie für die AtomkraftgegnerInnen gefordert. Die zuständige Regierung des Bundesstaates Tamil Nadu verweigert aber die Einstellung der Verfahren mit der Begründung, eine Amnestie sei nicht opportun, solange der Protest fortgesetzt würde und Hungerstreiks und Arbeitsniederlegungen nicht aufhörten. Die AktivistInnen erwarten in absehbarer Zeit keine Einstellung der Verfahren.
S.P. Udayakumar wird von den indischen Medien häufig als „Sektenführer“ oder „Kopf der Aufwiegler“ porträtiert. Rädelsführer würde er hierzulande genannt. Er betont aber, dass die Organisationsstrukturen der Widerstandsbewegung sehr demokratisch sind und alle Beteiligten gleichberechtigt Anteil haben. Zum „Struggle Committee“ gehören Delegierte der umliegenden Ortschaften, VertreterInnen des Aktionsbündnisses PMANE und auch katholische Priester. Das „Struggle Committee“ organisierte zahlreiche Streiks, Demonstrationen und Blockaden auf dem Land und wegen der Polizeipräsenz immer öfter auf dem Wasser.
Fischerfamilien verlieren ihre Lebensgrundlage
Zu den Risiken und Folgen des AKWs muss erwähnt werden, dass die russische Firma Zio Podolsk minderwertige Komponente geliefert hat. Der Chef-Einkäufer von Zio Podolsk wurde verhaftet, weil er minderwertigen Stahl eingekauft und die Preisdifferenz zum für den AKW-Bau notwendigen teuren Stahl eingesteckt hatte. Udayakumar ergänzt, dass auch minderwertige Kabel beim Bau verwendet wurden und dass es aufgrund von Schweißnähten in Bereichen, wo es diese nicht geben darf, zu Problemen am Reaktor-Druckbehälter kommen kann.
Beim Betrieb des Atomkraftwerkes werden tausende Tonnen erwärmtes und niedrig strahlendes Kühlwasser ins Meer gepumpt. Schon das wird Wachstum und Ernährung der Fische, der wichtigsten Lebensgrundlage der Menschen in der Region, massiv beeinträchtigen. Denn direkt neben dem AKW beginnen die Fischgründe. S.P. Udayakumar verweist darauf, dass in nächster Zukunft die Entsalzungsanlagen ihre Abfälle und Chemikalien in die See ablassen werden - der sichere Tod für die meisten Meereslebewesen vor Ort.
Nirgends in der Region haben AtomkraftgegnerInnen Zugang zu Strahlenmessgeräten. Der Aktivist befürchtet sogar, dass unabhängige Strahlungsmessungen untersagt würden.
Dass der erste Block des Atomkraftwerkes wie angekündigt in wenigen Wochen ans Netz geht, glaubt fast niemand. Ernsthafte Probleme bestünden weiter, auch wenn die staatliche Betreibergesellschaft alle Hebel in Bewegung setze. Zahlreiche Komponenten des zweiten Reaktors wurden als Ersatzteile für den für den ersten Block verwendet. Diese müssen nun wieder produziert und geliefert werden. Daher könne es Jahre, nicht Monate dauern, bis der zweite Reaktor erstmals Strom liefern könne - in die Städte und für die ferne Industrie.
Die Stimmung in der Bewegung ist weiterhin gut. Es herrscht Optimismus, dass die zusätzlichen vier Reaktoren gar nicht gebaut werden und die weitere Inbetriebnahme der beiden bestehenden verhindert werden kann. Der Widerstand gegen Atomkraft in Indien breitet sich weiter aus, in vielen Regionen bilden sich neue Gruppen. Auch am geplanten AKW-Standort Jaitapur, an der Westküste im Bundesstaat Maharashtra, engagieren sich immer mehr Menschen gegen die Anlage des französischen Atommultis AREVA.
Seit fast 40 Jahren existiert eine Bewegung gegen die indischen Atombomben. Doch nun gibt es endlich auch eine starke Bewegung gegen Atomenergie, freut sich Udayakumar. Die Aktiven in Indien geben viel von dem, was sie erfahren können, über die Anti-Atombewegung in Deutschland weiter. Der Atomausstieg des industriell und wissenschaftlich hoch entwickelten Deutschlands und die Entscheidung für erneuerbare Energiequellen habe Vorbildfunktion für andere Länder, meint der PMANE-Aktivist.
Dass aus Deutschland weiterhin Atomkraftwerke und Brennelemente exportiert werden, ist in Indien noch wenig bekannt. Die internationalen Atomgeschäfte der BRD finden auch hierzulande noch zu wenig Beachtung.
Igor und Peter Moritz (Aus: „Graswurzelrevolution“, Nr. 381, September 2013)
THTR-Rundbrief Nr. 140#Kundankulam
Kritik unerwünscht: In Indien dreht die Regierung der Zivilgesellschaft den Geldhahn zu |
Die größte Demokratie der Welt – so sieht das offizielle Indien sich gern. Doch die Regierung in Neu-Delhi geht zunehmend drastisch gegen Organisationen vor, die ihrer Ansicht nach gegen das „öffentliche Interesse“ verstoßen. Darunter fällt alles, was mit Wirtschaftswachstum zu tun hat.
Ein Waschraum, eine Toilette und zwei Räume à 30 Quadratmeter mit mehr als einem Dutzend Schreibtischen, an denen Aktivisten gegen Atomkraft, Menschenrechtler, Gentechnikkritiker und Gegner industrieller Großprojekte und Sonderwirtschaftszonen arbeiten. Das ist das Büro von INSAF, dem Indian Social Action Forum in Neu-Delhi. Das Akronym bedeutet auf Urdu „Gerechtigkeit“. Mehr als 700 Organisationen und Bewegungen haben sich unter dem Dach von INSAF, einer Partnerorganisation von „Brot für die Welt“, zusammengeschlossen. Doch seit Juni kann INSAF kein Geld mehr abheben, weil das Innenministerium das Konto des Verbands eingefroren hat; die Grundlage dafür ist das Gesetz zur Registrierung ausländischer Geldmittel.
„2010 haben sie das Gesetz geändert; Konten können jetzt auch wegen ‚politischer Aktivitäten‘ gesperrt werden“, erklärt Wilfried D’Costa, ein Sprecher von INSAF. Seine Organisation ist eine der 22.000 zivilgesellschaftlichen Organisationen in Indien, die Gelder aus dem Ausland erhalten. Alle müssen sich beim Innenministerium registrieren. INSAF hat gegen die Neufassung des Gesetzes vor dem Obersten Gerichtshof geklagt – aber das Innenministerium schafft schon mal Fakten. Das offizielle Schreiben sagt nicht viel über die Gründe für die Kontosperrung: Die Aktivitäten von INSAF würden sich „nachteilig auf das öffentliche Interesse auswirken“.
Öffentliches Interesse steht seit dem Vormarsch des Neoliberalismus in Indien als Synonym für Wirtschaftswachstum. Proteste, die wirtschaftliche Großprojekte oder Handelsabkommen behindern, interpretiert die Regierung als staatsfeindlichen Akt. „Diejenigen, die für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kämpfen, sind Ziel der Repression geworden“, heißt es in einer Studie von ACT Alliance, einem Zusammenschluss von 130 christlichen Hilfswerken aus aller Welt.
2012 kritisierte der indische Premierminister Manmohan Singh in einem Interview mit der US-amerikanischen Wissenschaftszeitschrift „Science“ Atomkraftgegner und Gentechnikkritiker, die oft auch die Kämpfe von Bauern, Fischern und Anwohnern gegen solche Projekte unterstützen. „Es gibt NGOs, oft finanziert aus den Vereinigten Staaten und Skandinavien, die kein Verständnis für die Entwicklungsherausforderungen unseres Landes aufbringen“, sagte Singh. Und einen Satz später versuchte er, potenzieller Kritik an seinem demokratischen Verständnis den Wind aus den Segeln zu nehmen: „Aber wir sind eine Demokratie, wir sind nicht wie China.“
Aber vielleicht wie Russland? Kurze Zeit nach dem Interview entzog das Innenministerium mehr als 4000 nichtstaatlichen Organisationen – angeblich aus formalen Gründen – die Kontolizenz. Zahlreiche der betroffenen Organisationen hatten gegen das derzeit größte indische Atomkraftwerk im südindischen Koodankulam protestiert, das mit Hilfe des russischen Konzerns Rosatom errichtet wurde. Die Aktivitäten der indischen Regierung wirken. Viele NGOs fürchten nun um ihre Existenz. Das bestätigt auch S. P. Udayakumar, der Sprecher der Bewegung gegen das Atomkraftwerk in Koodankulam: NGOs hätten mittlerweile Angst, an den Protesten teilzunehmen.
Aktionen des zivilen Ungehorsams gehören in Indien zur gängigen Praxis sozialer Protestbewegungen. „Sogar einfache Demonstrationen und Kämpfe von Bauern und Ureinwohnern definieren sie jetzt als verbotene politische Aktivität“, sagt INSAF-Sprecher D’Costa. „Aber wir sagen, dass politische Aktivität ein Grundrecht eines jeden indischen Bürgers ist – so wie es in unserer Verfassung steht.“ (...)
Dies ist ein Artikel von Dominik Müller aus der Zeitschrift „Welt-Sichten“ Nr. 8, 2013
„Nuclear Lies” – Indischer Anti-Atom-Film braucht Spenden |
Praved Krisnapilla dreht eine Dokumentation über den Kampf der lokalen Bevölkerung gegen das indische Atomprogramm. Mit Unterstützung der österreichischen Öko-Bewegung sammelt er Spenden zur Finanzierung des Films.
„Der 60-minütige Film „Nuclear Lies“ zeigt die furchtbaren Misstände, Lügen und Polizeigewalt rund um Nuklearanlagen wie jene in Koodankulam. Die Opfer und ihre Notlage, die von der indischen Regierung zu verantworten ist. Er führt uns durch die Dörfer, die in der Nähe der bestehenden Problem-Reaktoren liegen. Und zeigt die hoch verstrahlten Minen, Aufbereitungsanlagen und die geplanten Mega-Nuklearanlagen. Der Film nimmt die Stimmen der Betroffenen und ihren Kampf ums Überleben auf.” Spendenaufruf + Infos:
http://www.startnext.de/nuclear-lies
http://indien.antiatom.net/category/kudankulam/
THTR-Brennelemente sind erstklassiges Atombomben-Material! |
Nach der Stilllegung des THTR Hamm im Jahre 1989 sind seine 600.000 radioaktive Kugelbrennelemente in das Zwischenlager nach Ahaus gebracht worden. Erst jetzt wird durch den Whistleblower und ehemaligen Mitarbeiter im Forschungszentrum Jülich (FZJ) Rainer Moormann und Co-Autor Jürgen Streich deutlich, wie unglaublich gefährlich dieser Transport war:
Die etwa sechs Zentimeter Durchmesser großen Brennelemente sind hochradioaktiv angereichert, nahezu perfekt atomwaffentauglich und stellen für Jahrhunderte eine tickende Zeitbombe dar!
Die mit staatlichen Geldern gut alimentierten Verantwortlichen in Jülich haben in der Vergangenheit nicht nur kein in sich schlüssiges „Entsorgungskonzept“ erarbeitet, sondern unternehmen vehemente Anstrengungen, ihr gescheitertes Reaktorkonzept anderen Ländern aufzuschwatzen. Anstatt zu versuchen, den von ihnen angerichteten immensen Schaden zu begrenzen, wird mit staatlicher Hilfe in Jülich mit Hochdruck daran gearbeitet, die entstandenen Probleme zu vervielfachen. Ein unglaublicher Skandal!
Die Bevölkerung wurde über hochgefährliche Transporte getäuscht!
Bis zum Jahre 1995 erfolgten 59 Bahntransporte mit den über 600.000 hochradioaktiven Kugeln von Hamm nach Ahaus. Da es sich im Raum Hamm um eine Kleinbahnstrecke handelte, passierte die wenig beachtete riskante Fracht von insgesamt 305 Castoren Dutzende von unbeschrankten Bahnübergängen und lagert jetzt im Brennelementezwischenlager (BEZ) in Ahaus. Dort können die Kugeln laut Genehmigung bis zum Jahre 2036 lagern. Nach einer neuen Mitteilung der Bundesregierung geht diese davon aus, dass diese „Zwischenlagerung“ bis zum Jahr 2055 fortgesetzt wird. Alle vorherigen Zusagen werden damit zu Makulatur.
Betreiber und Regierung: Statt Konzept nur Konfusion
Rainer Moormann und sein Co-Autor Jürgen Streich haben sich vor einigen Wochen in einem 14seitigen Papier zu Wort gemeldet und die jetzige verfahrene Situation in Sachen Lagerung und Umgang mit den THTR-Brennelementen schonungslos offengelegt.
Da die Genehmigung für die Lagerung der 290.000 AVR-Brennelemente in den 152 Castoren in Jülich in Kürze ausläuft, findet hinter den Kulissen ein heftiges Gerangel statt, was mit ihnen geschehen soll. Neben der Option Lagerung am Standort oder Verbringung nach Ahaus ist auch der Transport über den großen Teich in die USA in der Diskussion, da von dort das hochangereicherte Uran (HEU) für die THTR-Brennelemente (bis zum Jahre 1977) hergekommen ist. Die USA haben das Interesse, das einst so freigiebig verteilte HEU wieder einzusammeln, damit mit ihm keine Atombomben gebaut werden kann. „Insgesamt wurden bis 1977 ca. 1250 kg HEU für Kugelhaufenreaktoren aus den USA nach Deutschland geliefert.“
THTR-Brennelemente sind eine Einladung für Terroristen!
In dieser Situation treten die beiden Wissenschaftler mit ihrer neuen Untersuchung auf den Plan und beweisen, dass es einen riesengroßen Unterschied zwischen den Brennelementekugeln aus dem AVR Jülich einerseits und dem THTR Hamm andererseits gibt!
Die AVR-Atomkugeln aus Jülich sind durch den jahrelangen Betrieb in einem sehr hohen Maße abgebrannt. Deswegen können aus ihnen nicht so leicht Atomwaffen hergestellt werden.
Völlig anders sieht es bei den THTR-Kugeln aus Hamm aus: „Der hochangereicherte Brennstoff wurde nur sehr unvollständig abgebrannt, da der THTR-300 in Hamm wegen massiver technischer und sicherheitstechnischer Probleme, welche die Betreibergesellschaft 1989 an den Rand des Konkurses brachten, bereits nach 14 Monaten Volllastbetrieb aufgegeben werden musste. Der Abbrand seiner Brennelemente ist ähnlich niedrig wie in Forschungsreaktoren.“ – Wenn nach Moormann das hochwaffenfähige Uran weniger als zur Hälfte in den Kugeln verbraucht ist, dann bleibt noch genug Spaltstoffinventar übrig, um fünf Hiroshima-Atombomben zu bauen. Oder bei einer besonders günstigen Reflektorenanordnung sogar 10 bis 12 Atombomben.
Einfacheres Hantieren bei Atombombenbau
Die Gefahr der militärischen bzw. terroristischen Nutzung der THTR-Kugeln nimmt in Zukunft nicht ab, sondern deutlich zu: Weil die von den Kugeln ausgehende durchdringende (!) Strahlung mit der Zeit deutlich abnimmt (und ab den Jahren 2250 – 2300 weitgehend verschwunden sein wird), können Menschen viel einfacher mit ihnen hantieren und aus ihnen für Atombomben notwendige Spaltstoffe extrahieren.
Eine Atombombe kann mit hochangereichertem Uran verhältnismäßig leicht gebaut werden. Sie wäre mechanisch leicht zu konstruieren und es sind nur geringe spezifische Kenntnisse hierfür notwendig.
Moormann und Streich stellen fest, das bei der Lagerung der Brennelemente aus Kugelhaufenreaktoren diejenigen aus dem THTR Hamm in den nächsten Jahrhunderten das weitaus größte Problem darstellen. Es wurden bisher von den Betreibern und den Regierungen keinerlei Lösungen erarbeitet, obwohl sie jahrzehntelang hierfür Zeit hatten.
Dem Resume von Moormann und Streich ist voll und ganz zuzustimmen:
„Um Struktur in die unübersichtliche Diskussion zur Atomkugel- und Kugelhaufenreaktorentsorgung zu bringen, fordern wir, dass Jülich/Aachen dazu gebracht wird, endlich die leicht verzichtbaren, anachronistisch anmutenden Arbeiten für zukünftige Kugelhaufenreaktoren und weitere verzichtbare Nuklearforschung einzustellen und die freiwerdenden Kräfte auf Arbeiten zu Entsorgung/Rückbau von Kugelhaufenreaktoren zu konzentrieren.Wir vermuten, dass die seit mehr als 20 Jahren erfolgende Vernachlässigung dieser Arbeiten in Jülich/Aachen zugunsten von Entwicklungsarbeiten für zukünftige Reaktoren dem schwierigen Kugelhaufenreaktor - Rückbau/Entsorgung schon erheblichen Schaden zugefügt hat.“
Das Letzte: FZ Jülich verhalf Apartheidstaat Südafrika zu Atom-know how!
Moormann und Streich schreiben: „Jülich/Aachen waren übrigens in das Atomwaffenprogramm der südafrikanischen Apartheid-Regierung wie folgt involviert: Die Südafrikaner benötigten know how zum Bau von kleinen AKW als Antrieb von Atom-U-Booten, welche die A-Bomben aufnehmen sollten. Wegen des internationalen Embargos konnten sie solches know how nicht erhalten, bis die Jülich/Aachener Reaktorentwicklung unter dem Deckmantel von wissenschaftlicher Zusammenarbeit in die Bresche sprang und ab 1988 das know-how für Kugelhaufenreaktoren lieferte. Nach dem Ende der Apartheid entstand daraus das zivile südafrikanische PBMR-Projekt, das 2010 scheiterte.“
Die PDF-Datei “Anmerkungen zur Waffenfähigkeit der Atomkugeln aus AVR Jülich und THTR (Hamm) und zu einer Atomkugelabgabe in die USA“ von Moormann/Streich sind hier einzusehen.
THTR: Sicher bleibt nur die radioaktive Strahlung! |
30 Jahre nach den ersten Inbetriebnahmeversuchen des THTR’s Hamm wird in den politischen Gremien und in den Medien verstärkt über vergangene und zukünftige Kosten des Pleitereaktors diskutiert und spekuliert. Und darüber, wie in den nächsten Jahrzehnten mit dem gescheiterten Relikt aus der nuklearen Steinzeit umgegangen werden soll.
Als Optionen für die Zukunft werden Restabwicklung, Rückbau und "Entsorgung" des radioaktiven Mülls genannt. Mit diesen Überlegungen wäre allerdings nur die Zeit bis ca. 2080 abgedeckt. Aber selbst bei diesem überschaubaren Zeitrahmen tun sich die Betreiber von der Hochtemperatur-Kernkraftwerk GmbH (HKG) und die Bundes- und NRW-Landesregierung schwer.
Wie selbstverständlich gehen die politischen Parteien und Betreiber davon aus, dass ab 2023 mit dem Rückbau des THTR begonnen werden sollte. Unterschlagen wird hierbei, dass diesem Vorhaben mehrere gravierende Probleme entgegenstehen.
Rückbau stellt eine große Gefahr dar!
Zum einen sind in dem Reaktor noch ca. 1,6 Kilogramm Atombrennstoff vorhanden. Seine Bergung wird sehr schwierig werden. Zum Anderen hat Rainer Moormann, der sich 26 Jahre lang mit der Sicherheit von Kugelhaufenreaktoren beschäftigt hat, darauf hingewiesen, dass aufgrund des erfolgten Kugelbruches das Innere des Atomkraftwerks mit einer radioaktiven Staubschicht bedeckt ist (1). Außerdem wurde nach der Stilllegung des THTR’s im Jahre 1989 kein von den Bürgerinitiativen angemahnter Nuklidadlas erstellt. In diesem könnte man sehen, an welchen Stellen des Reaktors sich welche radioaktiv strahlenden Teilchen befinden.
Zukünftige Rückbauer tappen also im Dunkeln, wenn sie die von den Betreibern geschätzten 6.000 Kubikmeter radioaktiven Abfälle (2) aus dem THTR bergen. Sie müssen sich auf unliebsame Überraschungen gefasst machen und gefährden durch die Abbrucharbeiten möglicherweise das Leben der Bevölkerung! – Diese Gefahren sind bisher allerdings keineswegs Gegenstand der öffentlichen Erörterungen!
Es wäre durchaus eine diskutierenswerte Option, den Reaktor während der nächsten Jahrzehnte nicht zu öffnen, sondern einen möglichst sicheren Einschluss zu gewährleisten, damit die Strahlung noch mehr abklingen kann. Vielleicht findet diese Variante unter den politischen Entscheidungsträgern noch mehr Anhänger, wenn die immensen tatsächlichen Kosten des Rückbaus offen benannt würden.
Wer bezahlt den jahrzehntelangen "Stilllegungsbetrieb"?
In der Bundestagsdrucksache 17/14588 geht die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen am 20. 8. 2013 auf die Rückbau- und Finanzierungsproblematik ein.
Zentraler Punkt ist die Aussage, dass die HKG als THTR-Betreiber nur 41,5 Millionen Euro Eigenmittel hat und damit unfähig ist, die vielen hundert Millionen Euro für Rückbau und „Entsorgung“ zu bezahlen. Das allein ist schon ein Skandal. Denn durch die Existenz der "Pleitegesellschaft" HKG als Betreiberin fällt der große Energiekonzern RWE aus der Haftung für den Pleitereaktor weitgehend heraus und kann fast alle Kosten dem Steuerzahler aufbürden und selbst weiterhin Gewinne einfahren.
Ohnehin definiert die HKG auf ihrer Homepage ihre Aufgabe folgendermaßen: "Herstellung und Aufrechterhaltung des sicheren Einschlusses des THTR 300". Von Rückbau und verantwortungsvoller „Entsorgung“ des Atommülls steht da gar nichts!
Geheimverhandlungen über Kostenübernahme
Die früheren Vereinbarungen über die jährlich ca. 5 Millionen Euro Betriebskosten des stillgelegegten (!) THTR´s, bei denen Bund, Land NRW und HKG sich die Kosten drittelweise teilten, liefen 2009 aus. Vier Jahre lang wurde hinter verschlossenen Türen über die Neuaufteilung der Kostenübernahme für die folgenden Jahre verhandelt, ohne dass man irgendetwas von den geheimen Konsultationen erfahren konnte. Die Öffentlichkeit wurde bei dem peinlichen Gezerre um Millionen bewußt außen vor gelassen, weil auch die beteiligten Regierungen kein Interesse daran hatten, dass ihre eigene jahrzehntelange Beiteiligung an der THTR-Mißwirtschaft allzu offenbar würde.
Als gesonderter Ausgabenposten werden die jährlich fälligen sogenannten Endlagervorausleistungen in der Bundestagsdrucksache genannt. Von 2010 bis 2012 waren jährlich 4,5 Millionen Euro hierfür zu bezahlen. In der nun vereinbarten 3. Ergänzungsvereinbarung von 2010 bis 2022 müssen davon Bund und Land zwei Drittel der Summe aufbringen. In der Bundesdrucksache steht weiter: "Damit erfolgt zugleich eine Entlastung bei den Eigenmitteln der HKG, aus denen somit der Betrieb des sicheren Einschlusses und die Zwischenlagerung der abgebrannten Brennelemente für einen längeren Zeitraum finanziert werden kann. Die Finanzierung des Rückbaus wird mit dieser Vereinbarung nicht geregelt". Mit anderen Worten: Der Staat muss die meisten Kosten übernehmen, die RWE ist fein raus.
Die Kosten im Einzelnen
Im Businessplan der HKG werden die zukünftigen Gesamtkosten mit insgesamt 735 Millionen Euro angegeben. Das wären im Einzelnen:
+ 404 Millionen Euro für den Rückbau von 2023 bis 2044
+ 41 Millionen Euro für den sicheren Einschluss von 2013 bis 2030
+ 78 Millionen Euro für die Zwischenlagerung der radioaktiven Abfälle von 2013 bis 2055
+ 210 Millionen Euro für Endlagervorausleistungen von 2013 bis 2080
Wer das alles finanziert und was nach 2080 kommt, ist noch unklar! Die Zahl von 404 Millio-nen Euro für den Rückbau ist zudem sehr umstritten und dürfte um ein Mehrfaches der angegebenen Summe höher sein:
’Traumtänzerei’ seien die genannten Rückbaukosten von 400 Millionen Euro, sagt der Chemiker Rainer Moormann (...). Schon 1989 wurden die Rückbaukosten von unabhängigen Experten auf bis zu 2 Milliarden Mark beziffert. Moormann hält deshalb eine Größenordnung von mindestens einer Milliarde Euro für „nicht unrealistisch“ (...). Er verweist dazu auf Erfahrungen mit dem Jülicher Forschungsreaktor AVR als Vorläufer des THTR: ‚1990 wurden die AVR-Rückbaukosten auf 39 Millionen Mark beziffert. Heute liegen wir bei 700 Millionen Euro – und das wird nicht reichen’, sagt er." (Taz vom 27. 8. 2013)
Was allerdings ziemlich genau zu beziffern ist, sagt die oben genannte Bundestagsdrucksache aus: "Laut Angaben der HKG beläuft sich der jährliche Stromverbrauch der sicher eingeschlossenen Anlage THTR 300 im Schnitt auf 670.000 jWh." Das entspricht etwa dem jährlichen Verbrauch von 150 Vier-Personen-Haushalten(3).
Unsere Forderung lautet: Landes- und Bundesregierung dürfen sich nicht zum Zahlmeister für die grandios gescheiterten Wunschträume der Atomindustrie machen lassen, sondern müssen die zu bezahlenden Rechnungen an die Verursacher weiterreichen! Ob ein Abriss der Atomruine THTR schon in 20 Jahren sinnvoll und verantwortbar ist, darüber muss umfassend geforscht, informiert und diskutiert werden!
Eines bleibt sicher: Der THTR wird auch die nächsten Jahrzehnte nicht aus den Negativ-Schlagzeilen herauskommen.
Anmerkungen:
1.Taz vom 27. 8. 2013
2. WA vom 3. 5. 2013
3. WA vom 28. 8. 2013
THTR wirkt "ansteckend“: Störfälle im Kohlekraftwerk Hamm! |
Als im Jahre 2008 zur Grundsteinlegung für die beiden riesigen Kohlekraftwerke in Hamm-Uentrop Bundeskanzlerin Angela Merkel und viel Prominez anreiste, protestierten gegen diese stein(kohle)zeitliche Technologie nur ganze drei Mitglieder unserer Bürgerinitiative.
Zwei hielten das Transparent, Einer verteilte das Flugblatt (siehe Bild); später kam noch eine kleine angereiste Greenpeace-Gruppe von Auswärts hinzu. Der Westfälische Anzeiger berichtete ausführlich. All diejenigen, die jetzt die Kohlekraft wortreich kritisieren, haben sich in ihrem Engagement in den Jahren vor 2008, als die energiepolitischen Entscheidungen gefällt wurden, merklich zurückgehalten, da sie von Parteien mitzuverantworten waren, denen sie selbst angehörten: Die vollmundige Losung „Mit Vollgas an die Kohle“ (WA-Rückblick vom 23. 1. 2006) stieß im Jahre 2005 auf keinen nennenswerten Widerstand aus der etablierten Politik.
Heute stehen RWE und die in der GEKKO (Gemeinschaftskraftwerk Steinkohle) zusammengeschlossenen 23 Stadtwerke (darunter auch Hamm) vor einem Scherbenhaufen ihrer verfehlten Energiepolitik. Bereits im Dezember 2010 berichteten die Medien, dass sich der Bau der beiden zwei Milliarden Euro teuren Kohlekraftwerke noch einmal um 200 Millionen Euro verteuern würde. Eine Ursache waren defekte Schweißnähte beim Kessel des Kohlekraftwerks. Die Inbetriebnahme verzögerte sich.
Im letzten Jahr wurde immer deutlicher, dass nach der rasanten Zunahme der Produktion von Alternativenergie die Energie des riesigen 1.600 MW Kohleblocks gar nicht gebraucht würde. Die 23 Stadtwerke, die hohe Dividende, aber keine ökologisch ausgerichtete Energiepolitik als Ziel hatten, dürfen sich jetzt an den absehbaren Verlusten beteiligen. – Welch eine Paralelle zum THTR, an dem ebenfalls Stadtwerke beteiligt waren und die für ihr unverantwortliches Handeln „nachzahlen“ mußten!
„Das Uentroper Millionengrab“ (Stadtanzeiger vom 25. 11. 2012) sorgte am 7. 9. 2013 erneut für Schlagzeilen, als bei einer bloßen Sichtprüfung (!) undichte Stellen im Leitungssystem der Dampferzeugung auffielen. Der Schaden geht in die Millionen, weitere Verzögerungen sind zu erwarten. Die Geschichte des gescheiterten benachbarten THTR´s setzt sich in den beiden Kohleblöcken fort.
Die BRD-Kohlekraftwerke werden bereits jetzt zu 75 Prozent mit Importkohle aus Kolumbien, Südafrika, China und Rußland usw. betrieben. Die „Ewigkeitskosten“ des Bergbaus aufgrund der Landschaftszerstörungen in diesen Ländern interessieren hier ebenso nicht, wie die vielfach haarsträubend miserablen Sicherheitsvorkehrungen der geldgierigen Kohlekonzerne. Die Verzweiflung der unter unwürdigen Bedingungen in den Bergwerken arbeitenden Menschen wird ausgeblendet. Die vielen Toten bei Unglücken in den fernen Ländern sorgen nur für kurze Meldungen in den Nachrichten und werden schnell wieder vergessen. Die Morde an GewerkschaftlerInnen, die an den schrecklichen Zuständen etwas ändern wollen, interessieren hier kaum jemanden.
Und wer sitzt in den Aufsichtsräten des Kohlekraft-Marktführers RWE in NRW? Fast zur Hälfte DGB-GewerkschafterInnen! Ein Viertel der RWE-Aktienanteile halten Kommunen, die größtenteils von der SPD regiert werden. Die interessieren sich für die Höhe der Dividende ihrer RWE-Aktien und nicht für (Klima-) Gerechtigkeit. Jahrzehntelang wurden die Kommunal- und Landespolitiker in NRW mit prestige- und geldeinbringenden Posten, Vergünstigungen und Zuwendungen gemästet. Der warme Geldregen für sie bietet bei den großkoalitonären Gesprächen die Sicherheit, dass nichts gegen die Interessen der Energiekonzerne beschlossen wird.
Weitere Infos: „Energie(unver)-Standort Hamm“:
Aus: "FugE-News" Nr. 2, 2008 Energie(Unver)standort Hamm: Rückfall in die Stein(kohle)zeit!
Viel Freude durch Kohle-Kraft für die Energiekonzerne! |
Die sich anbahnende systematische Behinderung der Alternativenergie durch die neue Große Koalition ist für Diejenigen wenig überraschend, welche die Politik der reaktionären Beton-SPD in NRW in den letzten Jahrzehnten bewusst miterlebt haben.
Diese Partei hat sich seit den 50er Jahren zum Vorkämpfer für den Pleitereaktor THTR gemacht und selbst nach dem Störfall 1986 seinen Weiterbetrieb mit Zähnen und Klauen so lange wie möglich verteidigt, weil dieser Reaktor angeblich irgendwann einmal mit der Kohlevergasung gekoppelt werden könnte.
Diese Politik war viel schlimmer als Diejenige der CDU. Erstens, weil die SPD selbst jahrzehntelang unangefochten in NRW an der Regierung war und diese Politik umsetzte und eben nicht die CDU. Und zweitens, weil die mit ihr verbandelten DGB-„Gewerkschaften“ als Profiteure dieser pro Kohle- und Atomkraftpolitik für einen Widerstand nahezu komplett ausfielen. Denn in anderen Energiesparten, als in umweltschädlichen Kohle- oder Atomkraftwerken zu arbeiten, überstieg damals ihren geistigen Horizont. Sie profitierten nicht schlecht von dem, was die Energiekonzerne ihnen zugestanden hatten. - Bei einer Einführung der Todesstrafe hätten sich damals beispielsweise aus ihren Reihen wohl eher Leute gefunden, die eine DGB-Spartengewerkschaft für Henker gegründet hätten, als das sie gegen die Todestrafe auf die Straße gegangen wären.
Über die SPD-Energiepolitik habe ich in der Vierteljahreszeitschrift des Landesverbandes Westfalen der „Naturfreunde“ in den Jahren 1986 bis 1990 ein Dutzend Artikel geschrieben, die manchmal auch für Aufregung sorgten. Zur Auffrischung der Erinnerung an die bezeichnenden Vorkommnisse von damals und um Paralellen zu heute aufzuzeigen, habe ich vier Artikel aus „Kultur und Umweltschutz“ ins Netz gestellt:
1987, Nr. 3: Der Hochtemperaturreaktor: Glaubwürdigkeitstest für die SPD
Aus: "Kultur und Umweltschutz Information" (Hg. "Die Naturfreunde" Landesverband Westfalen), Nr. 3, 1987 Der Hochtemperaturreaktor: Glaubwürdigkeitstest für die SPD
1988, Nr. 2: THTR am Ende?
SPD-Bundestagsabgeordnete und die NRW-Landesregierung versuchen mit allen Tricks, den THTR zu retten und subventionieren unter falschem Namen die HTR-Forschung mit Millionen.
Aus: "Kultur und Umweltschutz Information" (Hg. "Die Naturfreunde", Landesverband Westfalen), Nr. 2, 1988 THTR am Ende?
1988, Nr. 3: Peinlich: Viel Atomwerbung bei großem "Naturfreunde"-Bundestreffen!
SPD-Regierung in NRW auch nach Tschernobyl voll auf Atomkurs.
Aus: "Kultur und Umweltschutz Information" (Hg. "Die Naturfreunde", Landesverband Westfalen), Nr. 3, 1988 Peinlich: Atomwerbung bei großem "Naturfreunde"-Bundestreffen!
1989, Nr. 1: "Demokratische Gemeinde" gibt strahlende "Energieimpulse"!
Nach Tschernobyl: SPD-Fachzeitschrift als Werbeträger für Atomkraft.
Aus: "Kultur und Umweltschutz Information" ("Die Naturfreunde" Westfalen), Nr. 1, 1989 "Demokratische Gemeinde" gibt strahlende "Energieimpulse"!
Liebe LeserInnen! |
Im Sommer berichtete ich in der letzten Ausgabe des Rundbriefes über den Baubeginn des THTR in China und über die sehr zerstörerischen Bestrebungen, auch die Brennelemente dort zu produzieren. Kurz darauf erschienen in Tagesspiegel (11. Juli), Neues Deutschland (12. Juli) und Junge Welt (25. Juli) längere Artikel hierüber. In der „Hauptstadtzeitung“ Tagesspiegel entstand eine sehr kontroverse Diskussion mit 15 Beiträgen im Netz (1). Der kleine THTR-Rundbrief entfaltet also durchaus eine gewisse Wirkung. Auch der RB-Artikel „Reichen 667 Millionen Euro“ markierte den Beginn einer inzwischen unübersehbaren Menge von Medienberichten über die Stilllegungsgkosten des THTR.
Der Indienschwerpunkt in diesem Heft resultiert nicht nur aus der Einsicht heraus, dass eine eurozentristische Sichtweise und Berichterstattung egoistisch wäre und den allergrößten Teil der Wirklichkeit ausblenden würde. In Indien lagern zudem die größten Thoriumvorkommen der Welt und die dortige Regierung plant, Thoriumreaktoren zu bauen. Höchste Zeit also, sich mit der dortigen agilen Anti-Atombewegung zu befassen und sich vorzubereiten. Was mit dem PBMR in Südafrika so „gut“ geklappt hat, sollte auch in Indien möglich sein: den Bau von HTR´s zu verhindern.
Auch aus diesem Grund betreiben wir unsere vielbesuchte Homepage „Reaktkorpleite.de“ und werden im nächsten Jahr wieder zwei bis drei Ausgaben des THTR-Rundbriefes herausgeben. Außerdem beteiligen wir uns zusammen mit dem IPPNW finanziell an einer neuen Untersuchung der in der Nähe des THTR gefundenen Kleinstkügelchen durch ein Labor. Wer auf dem Laufenden bleiben und uns unterstützen will, kann dies gerne tun. Die Kontonummer befindet sich im Impressum. Und zum guten Schluss wünsche ich noch ein paar schöne Feiertage zum Jahresende!
Horst Blume
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