Nr. 111 März 07


Die Reaktorpleite - THTR 300 Die THTR-Rundbriefe
Studien zum THTR uvm. Die THTR-Pannenliste
Die HTR-Forschung Der THTR-Störfall im 'Spiegel'

Die THTR-Rundbriefe aus 2007


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THTR Rundbrief Nr. 111, März 2007


Unser Widerstand wird konkreter

Die Demonstration der 400 Menschen am 3. Februar 2007 in Münster richtete sich nicht nur gegen die Erweiterungspläne im Brennelemente-Zwischenlager Ahaus, die Urananreicherungsanlage (UAA) in Gronau und die Urantransporte dorthin, sondern bezog ausdrücklich den Protest gegen die Renaissance der Hochtemperatur-Reaktorlinie ein. Bereits am 17. Januar hielt Horst Blume auf Ein-ladung der SALZ-Bildungsgemeinschaft und der WASG/PDS Dortmund einen Vortrag über die besondere Rolle, die NRW und das östliche Ruhrgebiet bei der weltweiten Neuetablierung der HTR-Pleitetechnologie spielt. Die Bürgerinitiativbewegung gegen Atomkraftwerke ist zwar überparteilich, aber wenn Parteien von uns Informationen haben wollen oder sogar mit uns zusammenarbeiten, dann ist das eine gute Sache.

Uhde im Blickpunkt

In Dortmund beiteiligen sich die Firma Uhde und die Essener Hochdruck-Rohrleitungsbau (EHR) mit ihrem dortmunder Zweigwerk an der Errichtung des Pebble Bed Modular Reaktors (PBMR) in Südafrika. Verständlicherweise gab es in Dortmund zunächst einen gewissen Diskussionsbedarf. Die Erkenntnis, dass Geldverdienen durch den Bau einer Todestechnologie schlichtweg unmoralisch ist, muss bekanntlich bei Gehirnen von Gewerkschaftlern mehrere Stufen durchlaufen, bis der Groschen dann (hoffentlich) fällt.

Die kritischen Stimmen zum nuklearen Engagement Uhdes häufen sich. Am 19. 1. 2007 hat der Dachverband kritischer Aktionäre in seiner Rede der Aktionärsversammlung von ThyssenKrupp, wozu Uhde gehört, ausführlich vor ca. 2.000 Aktionären auf den geplanten THTR-Bau in Südafrika hingewiesen: "Kein geringerer als der Friedensnobelpreisträger und Erzbischof Desmond Tutu sagte: ,Wir brauchen keine Atomkraft. Die Welt braucht keine Atomkraft. Den Strahlentod über die gegenwärtige und zukünftige Generationen zu bringen, ist unverzeihlich'. Dieses Zitat ist der Broschüre ,Was müssen Sie über das Südafrikanische Atomprogramm wissen' von Earthlife Africa von 2002 entnommen. Earthlife Africa ist eine Organisation in der beeindruckend langen Liste von nationalen Gegnern des Projektes. Sie schreiben: "ESKOM, der südafrikanische Energiekonzern, ist kein verlässlicher Partner. Anfang des Jahres 2006 war die Kapregion von heftigen Stromausfällen geplagt und entging nur knapp einem größeren Reaktorunfall im Atomkraftwerk Koeberg, Nähe Kapstadt. Eine der Ursachen war offenbar ein Bolzen, der eine Turbine beschädigt hatte. Doch auch mangelhafte Wartungsarbeiten im Atomkraftwerk trugen zum Problem bei. Aufgrund der Ausfälle kommt es immer wieder zum Streit zwischen ESKOM und der nationalen Atombehörde - NNR, die ESKOM Nachlässigkeit im Umgang mit der Anlage vorwirft. (...)."

Interessant ist ebenfalls in diesem Zusammenhang, dass der Deal von Uhdes Muttergesellschaft ThyssenKrupp, Militärelektronik für militärische Fregatten nach Südafrika zu liefern -- einschließlich der dabei obgligatorischen Korroptionsvorwürfe, der Düsseldorfer Staatsanwalt ermittelt -- in der Rede thematisiert wurde. Dieser "saubere" Konzern hat also mehrere todbringende Eisen im Feuer.

Sehr erfreulich für uns als THTR-Bürgerinitiative war die Bereitschaft mehrer Gruppen, Uhde als Ausgangspunkt für den Autokorso zur Demonstration nach Münster zu nehmen und damit auch praktisch unsere Arbeit zu unterstützen. Vor Uhde und auf den beiden Zwischenkundgebungen in Lünen und Lüdinghausen gingen die verschiedenen Redner mehrfach auf die Problematik der HTR-Technologie ein und es wurde ein Sonderdruck des THTR-Rundbriefes zu Uhde an Interessierte verteilt. Während wir uns direkt vor der Eingangstür vor Uhde aufstellten, wies ein Uhde-Sprecher den filmenden WDR an, das Firmengelände zu verlassen und seiner Arbeit von Weitem auf dem Bürgersteig nachzugehen. Wir hoffen natürlich, dass Uhde weiterhin sehr unfreundlich zu Medienvertretern sein wird ... Bedauerlicherweise haben sich die Dortmunder Grünen nicht an dem Protest in Dortmund beteiligt, obwohl in Dutzenden von Mails die Geschäftsstelle, fast alle Mandatsträger, Bezirke und Arbeitskreise rechtzeitig eingeladen wurden. Hier werden wir in Zukunft noch etwas energischer "anklopfen" müssen. Das Medienecho in den verschiedenen Städten einschließlich mehrer Fernsehberichte in der Lokalzeit Dortmund und Münster war jedoch sehr ermutigend. Erfreulich ist ebenfalls, dass in Lünen über 40 Menschen an der Zwischenkundgebung teilnahmen und die Bereitschaft zu weiteren Aktivitäten erkennen liessen.

EHR nimmt Einfluss

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Die Gegenseite ist allerdings auch nicht untätig. Die EHR versuchen gezielt und direkt Einfluss auf die große Politik zu nehmen, um verstärkt Geschäfte mit dem Bau von Nuklearanlagen zu machen. So besuchte der energiepolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Hempelmann im letzten Jahr die EHR für ein Informationsgespräch, über das die Mitarbeiterzeitschrift NEWS 2/2006 berichtet. Er "... zeigte sich beeindruckt von der technologischen Kompetenz und den anspruchsvollen Produktionsanlagen des EHR. (...) Die politische Entscheidung in Deutschland für den Ausstieg aus der nuklearen Kraftwerkstechnologie ist für die Unternehmen schädlich und aus technologischer Sicht nicht nachzuvollziehen. Die praktische Anwendung im Inland und die Exportchanchen im Energieweltmarkt hängen unmittelbar und zukunftsentscheidend zusammen. (...) Herr Hempelmann nimmt die Argumente mit nach Berlin, wo sie hoffentlich zu einer Änderung der Energiepolitik in Deutschland beitragen." -- Danke für die offenen Worte, wie hier in der BRD energiepolitische Entscheidungen zustandekommen. Und wir wissen nun, dass wir bei passender Gelegenheit diesem Herrn Hempelmann mit Nachdruck auch noch etwas zu sagen haben. Wir sind also in unserem Widerstand in Dortmund und dem östlichen Ruhrgebiet einen Schritt weitergekommen. Hier, wo bisher weitgehend unbeachtet die Atomindustrie die einzelnen Teile für die Todestechnologie herstellt und austüftelt müssen wir ansetzen, ihnen auf die Pelle rücken und die Öffentlichkeit mobilisieren. Die Fabriktore sind kein ruhiges Hinterland für die Atomindustrie mehr!

Horst Blume

Transporte radioaktiver Stoffe durch Hamm

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Ein wichtiger Anlass für die Demonstration am 3. Februar waren die zahlreichen gefährlichen Urantransporte nach Gronau. Im letzten Jahr waren schon oft Mitglieder unserer Bürgerinitiative, ausgerüstet mit Stiefeln, Taschenlampe und Kamera des Nachts unterwegs, um die Sicherheitsmassnahmen in Hamm in Bahnhofsnähe zu inspizieren. Doch diese gab es gar nicht! Da das Büro des Hammer Oberbürgermeister gleich ein halbes Dutzend mal Kontakt- und Gesprächsversuche abwimmelte, zeigen wir nun, dass wir auch anders können. Jetzt darf die Verwaltung einen dreiseitigen, detaillierten Fragenkatalog, den wir beim Beschwerdeausschuss abgegeben haben, abarbeiten. Berichtet wurde darüber bereits im Westfälischen Anzeiger, der Sonntagszeitung und in Radio Lippewelle. Auf der demnächst stattfindenden Ausschusssitzung haben wir Rederecht und natürlich werden wir die Antwort der Verwaltung kommentieren und gegebenenfalls weitere Fragen stellen. Hier drucken wir nur das "Vorwort" ab, der gesamte Fragenkatalog ist auf unserer Homepage nachzulesen:

"Mindestens seit dem Jahr 2001 durchfahren Züge mit dem hochgefährlichen Uranhexafluorid (UF-6) auf dem Weg zur Urananreicherungsanlage Gronau (UAA) die Stadt Hamm. Der Uranzug stammt aus der südfranzösischen Atomanlage Pierrelatte, passiert die deutsch-französische Grenze bei Perl-Apach (Moseltal) und fährt über Trier, Koblenz durchs Rheinland und Ruhrgebiet, um in Hamm in der Nacht zu pausieren.

Mitglieder der Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm e. V. stellten fest, dass sich etwa alle 2 bis 3 Wochen ein solcher Zug mehrere Stunden auf dem Bahnhofsgelände aufhält und gegebenenfalls umgekoppelt wird. Manche Waggons sind mit Planen abgedeckt, manche nicht. Es befinden sich nur winzige Warntäfelchen mit Radioaktivitätszeichen am Fahrgestell. Zusätzlich zu den Waggons mit radioaktivem Inhalt wurden noch Andere beobachtet, die möglicherweise mit Chemikalien beladen waren. Mit großer Sorge stellten wir mehrmals fest, dass auch nachts keinerlei Bewachung und Polizeipräsenz in der Nähe des Uranzuges zu sehen war. In unmittelbarer Nähe dieser nuklearen Fracht passierten jedoch Personenzüge mit zahlreichen Menschen die Gleise.


Nach Angaben der Westfälischen Rundschau vom 13. 12. 2006 erreichen auf diesem Weg 260 Waggons pro Jahr die Urananreicherungsanlage Gronau (die über die Firma Uranit zu einem Drittel den Energieversorgern RWE Energie und E.ON Kernkraft gehört). Dies gilt allerdings nur für die aktuelle Menge von 1800 t Urantrennarbeit. Nach der im Jahre 2005 erteilten Genehmigung für die Erweiterung der nuklearen Anlage auf 4500 t Urantrennarbeit wird sich die zu transportierende Menge von Uranhexafluorid ebenfalls sehr bald vervielfachen und das Gefahrenpotential ein weiteres mal drastisch erhöhen.


Wenn UF-6 aus den auf den Waggons befindlichen Tanks entweicht, reagiert es mit der in der Luft enthaltenen Feuchtigkeit zu der hochgiftigen Flusssäure. Diese Flusssäure ist aggressiver als Schwefel, Salpeter- oder Salzsäure und wirkt schon in kleinen Mengen tödlich. Sie kann über die Atemwege und die Haut aufgenommen werden. Wegen des gasförmigen Zustandes verteilt sich dieser Stoff schnell in die Umgebung."

THTR Hamm: Wachwechsel

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Billig, billig, billig muss es sein, damit der Profit der RWE steigt. Die Rede ist von der Bewachung des Pleitereaktors THTR. Bisher waren die 18 Sicherheitskräfte bei dem Unternehmen Wach- und Kontrolldienst Nord (Wako), das laut "Westfälischer Anzeiger" vom 21. 12. 2006 als "seriös und fair im Umgang mit Beschäftigten gilt", beschäftigt. Offensichtlich ist dieses Unternehmen der RWE zu teuer geworden und nun wird seit Jahresbeginn 2007 der "Branchenriese Dussmann diesen Service übernehmen". Ver.di-Bezirksgeschäftsführer Ralf Bohlen sagte dem WA hierzu: "Die Situation ist derzeit sehr schwierig. Ich mache mir Sorgen um die Kollegen und um die Überwachung der Anlagen." Die neuen THTR-Bewacher, die teilweise die Alten sein werden, bekommen wohl nicht mehr ihr derzeitiges branchenunübliches "Spitzengehalt" von 12 Euro die Stunde, sondern müssen sich mit weniger zufrieden geben. Und jeder weis, was das für Folgen haben wird: Weniger Lohn bedeutet weniger Qualität, bedeutet schlechtere Bewachung der atomaren Ruine. Die RWE versuchen selbst an der Sicherheit zu sparen. Mit über 5 Millionen Euro ist der Stilllegungsbetrieb des THTR schon teuer genug. Und in nur zwei Jahren wird die Konstenübernahme des jahrzehntelangen Stilllegungsbetriebes neu verhandelt. Natürlich darf der Steuerzahler den allergrößten Teil bezahlen. Um die Kosten zu drücken, hilft jetzt nur noch eins: sparen, sparen, sparen. Wie sieht es wohl in 20 oder 50 Jahren mit der Sicherheit aus, wenn das so weitergeht??

URENCO-Gate in NRW!

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URENCO ist mittlerweile mit ihren Standorten Gronau, Almelo und Capenhurst nicht nur in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten, weil sie den nuklearen Treibstoff für viele Dutzend Atomkraftwerke in Europa herstellt, Atommüll nach Russland verschiebt oder weil es Zielpunkt für unzählige Bahntransporte mit dem hochgefährlichen Uranhexafluorid (U-6) ist. URENCO wurde die letzten Jahrzehnte zu einer ernsten Gefahr für den Weltfrieden und ist mitverantwortlich dafür, dass wir heute an der Schwelle des Einsatzes von Atombomben durch Terroristen und diktatorische Staaten stehen. Während in den Niederlanden diese Verantwortlichkeit von URENCO auf breiter Ebene thematisiert wird, beginnt die öffentliche Wahrnehmung dieses Tatbestandes in der Bundesrepublik erst jetzt. Die neue Aufmerksamkeit ist vor allem ein Verdienst von dem Journalisten Egmont R. Koch, der mit seinem Buch "Atomwaffen für Al Quaida" und verschiedene Fernsehsendungen auf die Mithilfe skrupelloser europäischer Firmen beim heimlichen Bau der Atombombe aufmerksam machte. Im Zentrum stehen die Urananreicherungsanlagen von URENCO und der pakistanische Wissenschaftler Abdul Quadeer Khan, der sich hier seit dem Anfang der 70er Jahre ohne große Probleme das Wissen über den Bau von Atombomben aneignen konnte, die Konstruktionspläne stahl und die für die Produktion der zahllosen Einzelteile in Frage kommenden Firmen ausfindig machte. Sehr viele kamen aus der BRD und der Schweiz. Nachdem Khan seinem Heimatland Pakistan mit einer eigenen Urananreicherungs-anlage versorgt hatte, belieferte er mit seinem "nuklearen Supermarkt" Libyen, Iran und Nord-Korea, um höchstselbst daran zu verdienen.

Die weltweite Bedrohung nahm also ihren Anfang bei URENCO. Koch schreibt: "Dort begann im Herbst 1974 die Arbeit an den beiden modernen Zentrifugentypen G1 und G2, die von Nazi-Wissenschaftlern für Hitlers ultimative Atomwaffe erfunden und nach dem Krieg von den Sowjets mit Hilfe derselben Nazi-Wissenschaftler weiterentwickelt worden waren. Im Oktober des Jahres, nicht einmal ein halbes Jahr nach seiner Verpflichtung als pakistanischer Agent, wurde Abdul Quadeer Khan gebeten, die deutschsprachigen Unterlagen der G1 und G2 ins Holländische zu übersetzen. (...) Khan übersetzte in dieser Zeit ,zwei Teile eines zwölfteiligen deutschen Reports, der als ,geheim' klassifiziert war' fand die Kommission heraus. Was weitaus schwerer wog: Der nette, allseits beliebte Pakistani wurde von den URENCO-Kollegen ,als einer der Ihren angesehen', er ging mit ihnen für eine Kaffeepause nebenan in die Kantine, stellte viele spezifische Fragen, so daß er möglicherweise ,die gesamte Technologie der deutschen Zentrifuge' ausspähen konnte, wie es im späteren Untersuchungsbericht heißen wird." (S. 64) -- Und das in der "brain box", in der jeder dortige Techniker eine monatelange Sicherheitsprüfung hinter sich hatte -- normalerweise jedenfalls.

Nach nur gut zwei Jahren intensiver Zusammenarbeit mit zahlreichen Produktionsfirmen konnte Khan mit dem Transfer des brisanten Materials beginnen: "Ende April 1977 machte sich der erste Teil der Karawane auf die beschwerliche Reise nach Pakistan. Verpackt in 62 Lastwagen der Spedition Schencker hatte Migule (von der Firma CES Kalthof, ein Vertragspartner Khans; H. B.) die Anlagentechnik bei 150 Unterlieferanten in Europa zusammengekauft, von der kleinsten Schraube bis zu Röhren von Mannesmann und Kabeln von Siemens. Alles wurde ordentlich verzollt und sogar entsprechend den Richtlinien zur Außenhandelsstatistik bei den Behörden angemeldet, allerdings falsch deklariert -- als Fluorfabrik ,für die Zahnpastaherstellung' eben." (S. 79) Um zu sehen, wer in NRW außer URENCO Gronau noch in den Bau einer Atombombe für terroristische Zwecke und Diktaturen verstrickt war, habe ich aus dem Buch Kochs einige NRW-Standorte als exemplarisches Beispiel herausgesucht. In den Klammern befinden sich die Seitenzahlen:

Düsseldorf

Der Export von "Schweres Wasser" musste der Atomaufsicht (IAEA) in Wien gemeldet werden, wenn er über einer Tonne lag. Der begehrte Stoff wurde knapp unterhalb dieser Grenze oft an den Kontrollen vorbei gehandelt. "Eines dieser dubiosen Unternehmen war die Düsseldorfer ,Rohstoff-Einfuhr GmbH' des Altnazis Alfred Hempel, und an den wandte sich Munir Khan damals in seiner Not" (S. 61). Und fragte bei der Gesellschaft für Kernforschung in Karlsruhe an, ob die nicht etwas entbehren könnten. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie (BMFT), Euratom und die amerikanische Atomc Energy hatten dem Deal schon zugestimmt. Im letzten Moment wurde dann aber aufgrund außenpolitischer Ereignisse doch nichts mehr daraus. Da am 18. 5. 1974 Indien seine erste Atomwaffe zündete, wurde dieser Lieferweg nach Pakistan gesperrt. Andere Bemühungen liefen hingegen erfolgreicher.

Köln

Die Firma Leybold-Heraeus AG aus Köln und Hanau geriet seit Jahrzehnten aufgrund verschiedenster umstrittener Nuklearkomponenten-Lieferungen in das Visier von Staatsanwaltschaften und CIA-Analysten, die die weltweiten Proliferationsaktivitäten beobachteten. "...Leybold-Heraeus AG habe einen Spezialofen nach Pjöngjang geliefert, der für die Herstellung von Uranzentrifugen geeignet sei. Leybold-Heraeus war seinerzeit die vielleicht wichtigste Anlaufstelle für Abdul Quadeer Khan in der Bundesrepublik. Und in einem späteren Report hieß es: Techniker von Leybold-Heraeus seien damals in den Transfer von Gerätschaft und Informationen nach Pjöngjang involviert gewesen, man habe einen oder sogar zwei LH-Mitarbeiter 1989 und 1990 identifizieren können" (S. 238). Diese Firma, die zu den wichtigsten Lieferfirmen von URENCO zählte, macht derzeit in einem aktuellen Prozess von sich Reden. Ihr Manager Gotthard Lerch (4), der auch beste Verbindungen zu südafrikanischen Nuklearfirmen hatte, wurde von der Schweiz an bundesdeutsche Gerichte ausgeliefert und muss sich wegen illegalem Nuklearschmuggel nach Libyen verantworten. Der Prozess läuft noch. Im Fall Khans umfasste die Lieferung "Lötöfen, Schweißmaschinen, Pumpen, Ventile und eine Gasreinigungsanlage" (S. 83). Näheres zu diesem Themenkomplex haben wir schon im THTR-Rundbrief Nr. 95, 99 und 104 geschrieben.

Jülich

Die jülicher Firma Uranit, über eine Holding mit der URENCO-Gruppe verbunden, ist heute eine Tochtergesellschaft von RWE Power AG und E.ON Kernkraft GmbH. 1984 fand in den Niederlanden ein Spionage-Prozess statt, indem Khan wegen Diebstahls streng geheimer, von Uranit ausgearbeiteter Konstruktionspläne in Abwesenheit zu vier Jahren Haft verurteilt wurde. Der Hintergrund: "Als die Fachleute von Uranit Wochen später die Zeichnungen zur Analyse erhielten, kamen ihnen die meisten Dinge bekannt vor: Der ,prinzipielle Aufbau' der in den Dokumenten beschriebenen Uranfabrik entspreche dem der modernen URENCO-Anlagen ,in Almelo und Gronau'" (S. 160). "Das Urteil aber, vier Jahre Haft, sollte eineinhalb Jahre später von der Be-rufungsinstanz wieder kassiert werden -- aus formalen Gründen, weil dem Beschuldigten die Klageschrift nicht rechtzeitig zugestellt worden war" (S. 134). Und zum Verhalten von Uranit schrieb Koch: "Wahrscheinlich lag es durchaus im Interesse des deutschen URENCO-Partners, die Sache einschlafen zu lassen. Ein geklautes ,Auslegungsblatt für einen Misch-Autoklaven' stand in keinem Verhältnis zu dem möglichen Imageschaden durch eine Berichterstattung, die einen Zusammenhang mit dem pakistanischen Atomprogramm herstellen würde" (S. 136).

Coesfeld

Eine kleine, von Koch nicht namentlich genannte Firma aus Coesfeld, "die zu den Lieferanten für die URENCO-Uranfrabrik zählte" (S. 130), hat zur Aufdeckung des oben beschriebenen Spionagefalls mit beigetragen. Die von einer schweizer Firma (Metallwerke Buchs, MWB) in Coesfeld eingereichten Konstruktionszeichnungen für ein Angebot entsprachen ziemlich genau jenen, "die von den Coesfeldern nach Gronau geliefert worden waren" (S. 130).

Dortmund

Die Komponenten für die nukleare Aufrüstung Libyens beschaffte Khan unter anderem aus Dortmund. Und zwar von der Tridelta Dortmund GmbH, die aus dem Unternehmen Thyssen Magnettechnik (Dortmund-Aplerbeck) hervorgegangen ist. Sie war also Bestandteil eines Firmengeflechts, dem auch das Unternehmen Uhde angehört, das zur Zeit die nukleare Brennelementefabrik für den HTR in Südafrika herstellt.
Tridelta produzierte die begehrten Ringmagneten, die zusammen mit Motoren und Inverter ("die nötig sind, um die Rotoren auf ihre extrem hohen Drehgeschwindigkeiten zu bringen", S. 244), welche letztendlich in Istambul (!) zusammengebaut wurden "und dann nach Dubai verschifft, dort umgepackt und weiter nach Libyen geliefert wurden" (S. 244). Nur durch die Aufgabe der libyschen Nuklearambitionen in den letzten Jahren und der damit einhergehenden nachträglichen Offenlegung vergangener Aktivitäten kam diese Verwicklung westfälischer Firmen in den Atom-bombenbau ans Tageslicht.

Bonn

"Der pakistanische Militärmachthaber Zia ul-Haq hatte in seltener Dreistigkeit seinen Vetter Abdul Waheed als neuen Botschafter nach Bonn entsandt, damit dieser sich um die Organisation des Nachschubs für P2 kümmerte, die zweite pakistanische Anreicherungsanlage in Kahuta" (S. 153). Hier fanden die teilweise vom US-Geheimdienst verdeckt gefilmten Treffen mit maßgeblichen Drahtziehern des nuklearen Netzwerks Khans statt. Über die Commerzbank in Bonn wurden die hierzu notwendigen finanziellen Transaktionen teilweise abgewickelt.

Es wäre völlig unrealistisch anzunehmen, Al Qaida oder Staaten wie Pakistan wären dazu in der Lage gewesen, eine Nuklearwaffe selbstständig zu bauen und erfolgreich einzusetzen. Egmont R. Koch hat in seinem Buch nachgewiesen, dass bundesdeutsche Unternehmen -- insbesondere auch aus NRW -- maßgeblich an der Entwicklung und dem Bau dieser menschenverachtenden Waffen beteiligt waren. Und das die Mähr von der friedlichen Nutzung der Atomenergie eine unverschämte Lüge ist. Und vor allem: Ohne die deutsch-niederländischen Urananreicherungsanlagen von URENCO hätte diese verhängnisvolle Entwicklung nicht ihren Lauf nehmen können. -- Ähnliches kann in Zukunft jederzeit wieder passieren. Auch deswegen muss die UAA Gronau stillgelegt werden!

Horst Blume

Egmont R. Koch "Atomwaffen für Al Qaida", 2005, Aufbau-Verlag, 348 Seiten, 19,90 Euro

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