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Die Geschichte des Widerstands
gegen den THTR in Hamm
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Die Gründung der 'Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm'
Die THTR-Stilllegung als „Erfolgsgeschichte“ der Aufklärung - Wie wird ein Reaktor stillgelegt?! - Eine bebilderte Chronik
Bereits 1970 gab es vereinzelte Einsprüche gegen den geplanten Bau des THTR, aber eine längerfristig agierende Bürgerinitiative gab es damals kurz vor Baubeginn noch nicht. Erst als 1975 bekannt wurde, dass in Hamm zusätzlich noch ein Leichtwasserreaktor gebaut werden sollte, regte sich ein erster Widerstand. Obwohl sich Hamm mit seinen 180.000 Einwohnern stolz eine Großstadt nannte, entsprach das soziale und kulturelle Leben eher dem, was man gewöhnlich als tiefste Provinz bezeichnet. Der Großteil der Bevölkerung zeigte wenig Interesse an politischen Fragen und war schlecht informiert.
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Unterschriftenaktion "Für den Frieden..."
In der SPD-geführten Bundes- und NRW-Landesregierung gab es kaum kritische Stimmen zu Atomkraftwerken und auch die aus CDU und FDP bestehende Ratsmehrheit in Hamm segnete widerspruchslos alles ab, was die Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW) ihnen vorsetzten. Das war nicht überall so. Der Widerstand der badisch-elsässischen Bürgerinitiativen gegen das geplante Atomkraftwerk Wyhl erreichte eine hohe Publizität und ließ auch in Hamm einige Menschen aufhorchen. Sie fanden zusammen und sondierten die Möglichkeiten für die Gründung einer Bürgerinitiative (BI). Besonders interessant war für uns, dass der Protest von vielen eher konservativen Menschen ausging und die Initiativen durchweg bewusst gewaltfrei handelten.
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Plakat gegen die HTR-LInie
Schon 1975 ergaben sich erste Kontakte zur Gewaltfreien Aktion Arnsberg, die Flugblätter in Hamm verteilt hatte. Bis zum 24. 12. 1975 wurden im kleineren Rahmen Einsprüche gegen den geplanten Leichtwasserreaktor gesammelt. Am 12. Januar 1976 fand eine von der Westfälisch-Lippischen Landjugend (WLL) mit 200 Menschen sehr gut besuchte Pro- und Kontradiskussion in einem kleinen Dorf bei Hamm statt. Diese Veranstaltung gab uns Auftrieb und durch weitere Flugblätter, Presseartikel und Infostände wurde die BI-Gründung vorbereitet. Anfang Februar führten wir ein Wochenendseminar mit einem Sprecher der badisch-elsässischen Bürgerinitiativen durch, um unsere Kenntnisse über die Gefahren von Atomkraftwerken zu vertiefen und aus erster Hand weiteres Grundlagenwissen über die Organisationsform und Arbeitsweise von Bürgerinitiativen zu erhalten.
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Veranstaltungsplakat 1976
An der offiziellen Gründungsveranstaltung der BI beteiligten sich am 18. Februar 1976 etwa 60 Bürger, von denen 47 sofort Mitglied wurden. Die BI schloss sich dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) an. Diese Dachorganisation ist überparteilich ausgerichtet, bevorzugt eindeutig gewaltfreie Kampftechniken und lehnte Atomkraftwerke in der ganzen Welt – also auch in der ehemaligen Sowjetunion und China – ab. Der von nun an einsetzende Zulauf von interessierten Menschen zur BI konnte allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns in Hamm immer noch in einer Minderheitsposition befanden. Wir hatten wiederholt die Erfahrung gemacht, dass wir unschlüssige Bürger am ehesten mobilisieren konnten, wenn auf Veranstaltungen Pro- und Kontra-Diskutanten anwesend waren. Nachdem sich die VEW auf der Podiumsdiskussion der Landjugend gründlich blamiert hatte, lehnten sie jede weitere Teilnahme an öffentlichen Diskussionen ab und stellten sich damit selbst ins Abseits.
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Plakat der Zeltlagerteilnehmer 1976 in Uentrop
In einer etwas provozierenden Form wurden von uns kurze Zeit später die finanziellen Zuwendungen der VEW für führende Hammer Kommunalpolitiker zum Thema gemacht. Öffentlichkeitswirksam wurde von uns der „Rinsche-Pfennig“ für eine atomkritische „Bestechung“ erhoben und wir bekamen sogleich Post vom Anwalt des beleidigten monetär Begünstigten.
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1977: Die Landjugend läd zu einem atomkritischen Theaterstück ein - aufgeführt auf einem Treckeranhänger im Dorf Norddinker
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1977: Die BI erhält den Schalom-Preis
Nachdem die quasi-militärischen Auseinandersetzungen an AKW-Bauzäunen gezeigt haben, dass Bauplatzbesetzungen nahezu unmöglich wurden, besannen sich einige Leute auf andere Formen des Widerstandes. Die Gewaltfreie Aktion Dortmund und die Bürgerinitiative Umweltschutz Hamm begannen mit der Kampagne für eine 10%ige Stromgeldverweigerung. Da die Energieversorgungsunternehmen mit dem Geld, das sie von den Stromverbrauchern erhalten, auch den Bau von Atomkraftwerken finanzieren, entzieht man ihnen durch die Stromgeldverweigerung die bisherige, stillschweigend gewährte Unterstützung für ein Vorhaben, das man strikt ablehnt. Nach der Verteilung von über 8.000 Flugblättern beteiligten sich in Dortmund über einhundert Haushalte an diesem gewagten Akt des zivilen Ungehorsams. In Hamm dagegen wurde diese Kampagne zwar von einer allmählich wacher werdenden Öffentlichkeit mit Interesse zur Kenntnis genommen, aber ein größerer Boykott kam nicht zustande. Vielen Menschen, die gerade erst den ersten Schritt zur Ablehnung der Atomkraft geschafft hatten, erschien diese Widerstandsform zunächst noch als zu weitgehend. Trotz dieses Misserfolges erhielten in Hamm zumindest viele Menschen zum ersten Mal Informationen über die verschiedenen Formen des zivilen Ungehorsams. Hierdurch wurde ein wichtiger Gedankenanstoß gegeben, der erst später beispielsweise durch gewaltfreie Blockadeaktionen und kreative Besetzungsaktionen Früchte tragen sollte.
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Plakat für den Osterspaziergang in Uentrop 1977
Da die VEW uns in ihrem „Informationszentrum“ keine Gelegenheit zur Darstellung unseres Standpunktes gab, sollte auf dem stacheldrahtumzäunten Gelände vor dem Zentrum ein Info-Zelt der Bürgerinitiativen aufgestellt werden. In einem Merkblatt für Aktionsteilnehmer wurden die Ziele der Aktion benannt und verschiedene mögliche Verlaufsformen des Konflikts und unsere sinnvollsten Reaktionen dargestellt. Nachdem 300 Menschen den Platz besetzt und ein Infozelt aufgestellt hatten, überreichten wir der anrückenden Polizei ein spezielles Flugblatt, indem wir unsere Aktion begründeten und unsere friedlichen Absichten bekundeten. Anschließend wurde im Dialog mit der Polizei eine bestimmte Zeit unseres Verbleibens auf dem Gelände ausgehandelt. In gelöster Atmosphäre konnten zahlreiche Gespräche mit Polizisten geführt werden.
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1977: Die "Uentroper Umwelt Zeitung"
Als die NRW-Landesregierung das Genehmigungsverfahren für den geplanten Leichtwasserreaktor auf Eis legte, konzentrierte sich unser Widerstand ganz auf den im Bau befindlichen THTR. Bisher wurde seine bevorstehende Inbetriebnahme von den Bürgerinitiativen als kaum zu verhinderndes kommendes Ereignis angesehen. Niemand konnte damals wissen, dass sie sich aufgrund technischer Probleme noch bis 1985 hinauszögern würde.
Die BI begann, ihren Widerstand längerfristig zu organisieren. Der täglich geöffnete Umweltladen bot ein breites Sortiment an Umweltliteratur an und diente uns als Tagungsraum und Kommunikationszentrum. Von hier aus ging der alltägliche Widerstand aus. Mit der „Uentroper Umweltzeitung“ (mit 4 erschienenen Ausgaben) und „Der grüne Hammer“ (mit 23 erschienenen Ausgaben) gründeten wir Alternativmedien, da die etablierten Medienkonzerne uns äußerst unzureichend zu Wort kommen ließen oder uns oft sogar diffamierten. Durch die Aufnahme von anderen Umweltthemen (Verkehrspolitik, praktischer Umweltschutz, Naturschutz, dritte Welt) in „Der grüne Hammer“ wurde unser Kontakt zu anderen Gruppen intensiver. So erreichten wir mit unseren Anti-Atom-Argumenten schrittweise immer mehr Menschen.
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1977: Landjugendbroschüre u. a. zu AKWs
Die Durchführung des Osterspaziergangs im Jahre 1977 führte zu einer der schwierigsten Situationen in der Geschichte der BI. Ursprünglich wurde er von sieben einheimischen Bürgerinitiativen aus der Hammer Umgebung geplant. Im Laufe der Zeit kamen zu den Koordinationstreffen immer mehr auswärtige Gruppen und Einzelpersonen hinzu und drängten auf militantere Aktionen. Bei ihnen handelte es sich zum großen Teil nicht um klassische Bürgerinitiativen, sondern auch um maoistische Kadergruppen mit Anhang, die mit viel Druck und vielen Tricks die von ihnen bevorzugte Vorgehensweise durchsetzen wollten. Arbeitsstil und Umgangsformen der bisherigen Konferenzen änderten sich schlagartig. Mit dem bisher gepflegten verständnisvollen Meinungsaustausch war es vorbei. Von nun an überwogen erbitterte Machtkämpfe über die Frage, wie der Osterspaziergang aussehen sollte. Allein schon ein Gespräch mit Vertretern der Polizei wurde von einigen auswärtigen Gruppen als Paktiererei mit dem Gegner bezeichnet. Folglich verteilten sie während des Osterspaziergangs nicht etwa Flugblätter gegen Atomkraftwerke, sondern Traktate mit Vorwürfen gegen die einheimischen Bürgerinitiativen. Eine fatale Situation! Es demonstrierten zwar über eintausend Menschen, aber die nukleare Gefahr geriet zur Nebensache. Und die Gegenseite schlief nicht: Die VEW bauten noch im selben Jahr für 20 Millionen DM eine große Mauer um ihr Gelände.
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1977: Flugblatt über den 20 Millionen DM teuren Mauerbau rund um den THTR
Mit dieser Aktion wurde deutlich gemacht, dass wir notfalls auch bereit waren, bestehende Gesetze zu übertreten. Die Notwendigkeit ergab sich aus dem Verhalten unserer Ansprechpartner. Ignorierte er Leserbriefe, Presseartikel, massenweisen Einspruch und unsere Flugblätter, dann waren als nächste Schritte von uns aus Kundgebungen und Demonstrationen die Folge. Reagierten auch daraufhin die VEW nicht, waren Blockaden, Besetzungen oder andere Formen des zivilen Ungehorsams die logische Konsequenz. Da in einer Bürgerinitiative Menschen aus verschiedenen Parteien und Weltanschauungen zusammenarbeiten, ist es notwendig, dass alle Mitglieder zu einer gemeinsamen Vorgehensweise finden. Weil unsere Aktionen kein Selbstzweck sind, muss zunächst der vorhandene legale Handlungsspielraum ausgenutzt werden. Wird ein wichtiges Element dieses Spielraumes weggelassen, würde es zu schwerwiegenden Vermittlungsproblemen gegenüber den eigenen Mitgliedern und der Bevölkerung führen und die Zahl der sympatisierenden Bürger verringern.
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Plakat für den Osterspaziergang 1977
Zusammen mit anderen BIs besetzten wir kurzzeitig und sehr pressewirksam das Ministerium für Gesundheit und Soziales in Düsseldorf, um die kostenlose Herausgabe der Erörterungsterminprotokolle für den geplanten Leichtwasserreaktor zu erreichen. Im August 1976 unterstützte die BI das sechswöchige Zeltlager in der Nähe des Baugeländes, das hauptsächlich von Münsteraner Studenten organisiert wurde. Von hier aus gingen viele kleinere Infotouren mit dem Fahrrad in die benachbarten Dörfer aus, kleinere Theaterstücke, Moritaten und Lieder wurden zum besten gegeben. Im September 1976 wollten die VEW ihr mehrere Millionen DM teures „Informationszentrum“ neben der THTR-Baustelle eröffnen. Als Reaktion hierauf haben die örtlichen Bürgerinitiativen zusammen mit der Gewaltfreien Aktion Arnsberg einen umfassenden Aktionsplan erarbeitet.
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1982: 28 seitige Broschüre der BI zum THTR
Bis 1982 fanden mehrere Aktionstage und Demonstrationen mit bis zu 1500 Menschen in Hamm statt. Als Standortbürgerinitiative hatten wir die Aufgabe, für Veranstaltungen in anderen Städten Referenten zum THTR-Thema zur Verfügung zu stellen, Broschüren herauszugeben und zu versenden. Diese Arbeit nahm einen erheblichen Teil unserer Zeit in Anspruch. Das Planfeststellungsverfahren für den Bau des THTR wurde zwar 1970/71 durchgeführt, aber bei den Genehmigungen für die Teilerrichtung wurden in den nächsten 15 Jahren zahlreiche Ergänzungen und Änderungen durch die Betreiber beantragt. Wir waren der Meinung, dass bei einem veränderten Konzept die betroffenen Bürger erneut beteiligt werden müssten.
In der Folgezeit klagten drei Hammer Bürger mit Unterstützung der Bürgerinitiative gegen den THTR und legten zusätzlich Verfassungsbeschwerde ein. Um die Spendenfreudigkeit für die kostspieligen Prozesse anzukurbeln, gab die BI eine „Rechtsschutzaktie“ mit einem alten Stadtbild von Hamm heraus, die für 5 bis 100 DM erworben werden konnte. Im Januar 1981 fuhren immerhin 200 Menschen als Demonstranten zu einer Sitzung des Verwaltungsgerichts nach Arnsberg.
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Rockkonzert gegen den THTR zur Finanzierung der Prozesse
Alle unsere vielfältigen Aktivitäten in der ersten Hälfte der 80er Jahre täuschten uns nicht über die Tatsache hinweg, dass die vom THTR ausgehenden Gefahren im Bewusstsein der bundesweit agierenden Umweltschützer nur eine untergeordnete Rolle spielten. Wer sich gegen den THTR engagierte, konnte sich so schnell keine Lorbeeren verdienen. Der Reaktor stand schliesslich kurz vor seiner Inbetriebnahme – glaubten sogar wir selbst über fünf Jahre lang. Trotzdem liessen wir uns nicht unterkriegen und standen regelmässig beim Bundesverband der Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) oder den Landes- und Bundes-GRÜNEN mit neuen Kampagnen- und Aktionsvorschlägen auf der Matte. Doch Diese hatten in der Regel angeblich wichtigeres zu tun und unterstützten uns nur sehr wenig.
1983 beunruhigten uns die bevorstehenden Probeläufe des THTR. Deswegen bereiteten wir uns gründlich auf eine Demonstration am 17. September vor. Die Anti-Atomkraftbewegung befand sich allerdings bundesweit zu dieser Zeit in einer Flaute, da sich die sogenannte Friedensbewegung und Hausbesetzerszene in der Mediengunst sonnte. Es war deswegen nicht einfach, eine große Anzahl von Unterstützern für den Demoaufruf zusammenzubekommen.
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1983: Das Stadtblatt Distel zum THTR
Aber mit der Zeit wurde es selbst für aktive BI-Mitglieder immer schwieriger, die komplizierten juristischen und technischen Vorgänge nachzuvollziehen. Es kamen Zweifel auf, ob ein mit so großem Aufwand betriebener Prozess bei den derzeitigen Machtverhältnissen einen Sinn machen würde.
Trotzdem hielt die Mehrheit der BI-Mitglieder an der Notwendigkeit fest, bestehende Bürgerrechte auch auf juristischem Weg einzufordern. Immerhin wurde durch die jahrelange Prozessarbeit ein umfangreiches Wissen über die technischen Probleme beim Bau und Entwicklung des THTR erarbeitet. Wenn die Atomindustrie mal wieder mit ihren weitreichenden Plänen für die HTR-Linie prahlte, so konnten wir ihren schillernden Visionen mit unseren Erkenntnissen entgegentreten. Mit den Prozessen einher ging natürlich auch eine jahrelange, intensive Öffentlichkeitsarbeit und Medienberichterstattung, die bei vielen Menschen immer wieder Zweifel an dem Pleiterreaktor aufkommen ließ.
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Plakat für die erste Großdemonstration am THTR mit 3.000 Menschen im Jahre 1983
Um auf die Demonstration aufmerksam zu machen, besetzten wir 12 Tage zuvor das Informationszentrum der VEW neben dem THTR für einen Tag. Die Medienresonanz war großartig. Außerdem verteilten wir vor den Hammer Zechen ein spezielles Flugblatt für die Bergleute. Die Teilnahme von 3.000 Menschen an der Demo wurde von uns unter den gegebenen Bedingungen als kleiner Erfolg angesehen. Positiv war ebenfalls das konstruktive Verhalten aller beteiligten Gruppen bei der Vorbereitung und Durchführung der Aktionen.
Bisher hatten wir uns bei Wahlen damit begnügt, Wahlprüfsteine und Fragen an die Politiker zu veröffentlichen. Wir machten die Erfahrung, dass unsere Bürgeranträge und Resolutionen in kommunalen Parlamenten und Ausschüssen kaum beachtet wurden, weil sich dort niemand für unser Anliegen einsetzte. Vor allen Dingen konnten wir in diesen Gemeinden der regierenden SPD, die ja ein ganz eifriger Befürworter des THTR´s war, nicht direkt auf die Finger sehen.
Unter Beteiligung von BI-Mitgliedern wurde die kommunale Wählergemeinschaft „Grün-Alternative Liste“ (GAL) in Hamm gegründet, was sehr viel Kraft gekostet hatte und sich als konfliktreiches Unterfangen erwiess. – Einige von uns waren nun Mandatsträger: Ratsherr, Bezirksvertreter, Ausschussmitglied. Eine rege Antrags- und Redetätigkeit setzte auch zum THTR ein und wurde von der Lokalpresse ausführlich dokumentiert. Es erwies sich einerseits als Vorteil, dass wir beispielsweise bei wichtigen Debatten über den Katastrophenschutzplan für den Reaktor mitreden konnten.
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BI-Flugblatt gegen die drohende Inbetriebnahme des THTR
1985 rückte nach mehreren Kalterprobungsstufen die tatsächliche Inbetriebnahme des THTR immer Näher. Höchste Zeit für einen Katastrophenschutzplan. Dieser bescherte uns viele neue Möglichkeiten, auf die kommenden Gefahren konkret hinzuweisen und uns für die kommenden Auseinandersetzungen um die endgültige Stilllegung „warmzulaufen“. Am 23. April 1985 mussten die Hammer Stadtverwaltung, die THTR-Betreiber und die NRW-Landesregierung auf einer Ratssondersitzung im großen Saal am Maximilianpark Rede und Antwort stehen.
Gegenstand der Auseinandersetzungen waren insbesondere die Reduzierung der Sicherheitszone von 10 auf 5 Kilometer, zahlreiche Ungereimtheiten bei der Durchführung von Hilfsmassnahmen für die Bevölkerung und die mangelnde Sicherheit des THTR. Über die Modalitäten der Durchführung dieser Ratssondersitzung wurde die Bevölkerung bis zuletzt im Unklaren gelassen, um sie um so besser austricksen zu können. Die BI rief in einem weitverbreiteten Flugblatt die Bevölkerung auf, massenweise zur Ratssondersitzung zu kommen. Das angehängte ausschneidbare „Formblatt“ sollte auch den in Verwaltungsfragen nicht so bewanderten Bürgern die Möglichkeit geben, seine Fragen zum Katastrophenschutzplan schriftlich niederzulegen. Immerhin machten 48 Hammer Bürger davon Gebrauch und stellten insgesamt 395 Fragen.
Außerdem machten wir mit über 100 Stelltafeln auf diese Veranstaltung aufmerksam. Ein Skelett lud mit den Worten ein: „Erleben Sie selbst, wie man mit ihrer Sicherheit umgeht!“ Erleben wollten dies in der Tat etwa 500 Menschen.
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BI-Plakat zur Ratsondersitzung "Katastrophenplan" aus dem Jahre 1985
Wir gehen davon aus, daß über 5 km hinaus keinerlei Gefährdungen eintreiten können. Sie können also 1. keine Jodtabletten bekommen, weil Sie keine benötigen. Sie wohnen außerhalb des Kreises und es kann für Sie theoretisch nichts eintreten. Und die zweite Frage ist so zu beantworten, dass eine Evakuierung für Sie nicht in Frage kommt, und die dritte Frage ist so zu beantworten, dass sie sich um Ihre Tiere keine Sorgen machen brauchen.“ Die anwesenden Bürger reagierten empört und mit zahlreichen Zwischenrufen. Als Skelett kostümiert betraten einige Bürger nun die Szenerie und ich betätigte eifrig eine heulende Handsirene. Was blieb, waren eher ohnmächtige Wortbeiträge der Frager und GAL-Anträge, die von sozialdemokratischen Parlamentariern zerknüllt und auf den Boden geworfen wurden. Die von der Versammlungsleitung mit den obligatorischen Ordnungsrufen und Rügen bedachten Bürger wurden um die Erfahrung reicher, dass es um ihre Sicherheit noch weit schlechter bestellt war, als sie sich dies in den kühnsten Träumen vorgestellt hatten. Und vor allen Dingen merkten sie: Ab jetzt wird es richtig ernst! Die Inbetriebnahme steht unmittelbar bevor. Die Medien berichteten sehr ausführlich im Vorfeld und nach der Veranstaltung. Das Unbehagen der Anwesenden und die Proteste wurden zum Stadtgespräch. Wir haben zusätzlich mit Comic- und Satireflugblättern sowie kleineren Aktionen das brisante Problem mit unkonventionelleren Mitteln thematisiert. Zu diesem Zeitpunkt ist es uns vermutlich nach 10 Jahren BI-Arbeit zum ersten Mal gelungen, die Mehrheit der Bevölkerung für unsere Position zu gewinnen.
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Mit satirischen Flugblattaktionen wurden Hammer Bürger auf die Gefahren des THTR-Betriebes aufmerksam gemacht:
Zu Weihnachten gibt es Jodtabletten, Gasmasken und Strahlenschutzanzüge. Trotzdem ging der THTR in Betrieb. Mal für ein paar Stunden, dann wieder für ein paar Tage. Dazwischen Stillstand, Abschaltungen, Probleme, Nachbesserungen, Reparaturen, angeblich kleinere Fehlfunktionen, Ausfälle, Unterbrechungen, Leckagen und Rissbildungen. Selbst dem Gutgläubigsten dämmerte es allmählich: Wir wurden von einer skrupellosen Atommafia als Versuchskaninchen für ihre Experimente missbraucht. Wann kam der große „Knall“?
Zuerst hörten wir am 26. April 1986 nur ein paar unbestimmte, vage Meldungen über besorgniserregende Vorfälle in einem Atomkraftwerk im fernen Russland. An einem Ort, dessen Namen wir noch nie zuvor gehört hatten und den wir uns doch für alle Zukunft merken müssen. Erst die folgenden Tage führten uns in erschreckender Weise vor Augen, dass die Gefahr, vor der wir schon jahrelang gewarnt hatten, keine theoretische mehr war, sondern Realität...
Mit einem Mal schien alles, was wir dringend zum Leben benötigten - Luft, Wasser und Nahrung - nicht mehr lebenspendend, sondern eher lebensbedrohend. Entsetzen und Angst nahmen mit jedem Tag zu. Woher sollte mensch unbelastete Nahrung herbekommen und konnte man sich überhaupt noch aus dem Haus heraustrauen? Mit dem Flugzeug schnell weg, doch wohin? Täglich Bequerel-Tabellen in der TAZ studieren.
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Der Störfall wird gemessen!
Acht Tage später kam es bei uns im THTR-Hamm zu einem Reaktorstörfall, bei dem größere Mengen an Radioaktivität an die Umwelt abgelassen wurden. Am 4. Mai 1986 klemmte in der Kugelbeschickungsanlage eine Kugel. Sie wurde mit radioaktiv verseuchtem Gas in einer Art Rohrpost frei geblasen. Die Vereinigten Elektrizitätswerke (VEW) behaupteten kurze Zeit später, die von uns mit unseren eigenen Geräten gemessenen Werte von 50.000 Bequerel seien einzig und allein auf das Unglück in Tschernobyl zurückzuführen. Ausgerechnet in dem entscheidenden Zeitraum waren die Mess- und Aufzeichnungssysteme für die abgegebene Radioaktivität unterbrochen. Ein unglaublicher Skandal. Das hartnäckige Leugnen der Atomindustrie entpuppte sich als dreiste Lüge, weil wir mit unseren eigenen Messanlagen (die ca. 50.000 DM kosteten) das Gegenteil beweisen konnten.
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Mittlerweile wirkte sich die Kontamination der Lebensmittel auf die Landwirte existenzbedrohend aus. Aus der gemeinsamen Bedrohung heraus entstand in Westfalen das Bündnis "Bauern und Verbraucher gegen Atomenergie". In einer Mischung aus Wut und Verzweifelung sammelten sie sich sechs Tage nach dem THTR-Störfall nachts am 10. Mai 1986 mit einem Dutzend Treckern in einem Wald, schlichen sich auf abgelegenen Feldwegen an den Reaktor heran und blockierten für die Betreiber völlig überraschend die beiden Haupttore für zwei Tage. 500 Menschen demonstrierten zeitweise mit. Von nun an ging es Schlag auf Schlag weiter:
Flugblatt der "Bauern und Verbraucher"
Es gelang uns in der bisherigen Zeit nach dem Störfall, einen großen Teil der regionalen Bevölkerung in unsere Widerstandsaktionen einzubinden und anzusprechen. Wir haben ihnen Mut zum Widerstand gemacht und geholfen, die eigene Angst zu überwinden. Trotz Dauerregen und nur anfänglicher Berichterstattung der Medien wurden wir immer mehr.
Der Höhepunkt war die Kundgebung der 7.000, obwohl schwangeren Frauen und kleinen Kindern aufgrund der neuesten Messungen geraten werden musste, nicht teilzunehmen. Die Polizei wagte es nicht, uns mit Gewalt vor dem Reaktor zu vertreiben. Viele anwesende Polizisten machten aus ihrer Sympathie für unseren gewaltfreien Kampf keinen Hehl.
Das Plenum der Blockierer am THTR entschied am siebten Tag, die Blockade auszusetzen. Denn die Bauern mussten dringend in ihre Betriebe zurück.
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Informationen gab und gibt es genug - Im Vorteil ist wer lesen kann!
1986 - Aktionen am THTR in Hamm Uentrop und in Düsseldorf!
19. Mai 1986: Großkundgebung der „Bauern und Verbraucher“ mit 2.500 Menschen vor dem THTR.
28. Mai 1986: Ratssitzung in Hamm. Die Bürgerinitiativen verlangen Rederecht, was aber abgelehnt wird. Nach kurzem Geplänkel wurde die Sitzung abgebrochen. Die Stadt Hamm schwieg weiter zum THTR-Störfall, während andere Städte in NRW ihre VEW-Aktienanteile verkaufen und den Ausstieg aus der Atomenergie forderten.
1.Juni 1986: Bei der Eröffnung der Umweltschutzwoche wurde von allen beteiligten Naturschutzvereinen die Anwesenheit der VEW kritisiert. Nach einer Demonstration wurde der VEW-Stand abgebaut.
2. Juni 1986: Die „Bauern und Verbraucher“ blockierten erneut die beiden Hauptzufahrten zum THTR. Ein kleines Zeltdorf entstand. Trotz strömendem Regen, schleppend anlaufender überregionaler Unterstützung wurde die Blockade insgesamt sieben (!) Tage aufrechterhalten!
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1986 - Angst und jede Menge Fragen!
6. Juni 1986: Am fünften Tag der Blockade wurde auch noch die dritte Zufahrt blockiert, um nach alarmierenden Meldungen über radioaktive Werte die Herausgabe eines VEW-Meßgerätes zu erzwingen. Der schmale, verwinkelte Feldweg war als Hintereingang die letzte notdürftige Zufahrt zum Reaktor. Aber das noch nicht einmal geeichte Gerät war ungeeignet, eine aussagekräftige Messung durchzuführen.
7. Juni 1986: Großkundgebung mit 7.000 Menschen zur Unterstützung der Blockade. Die Kundgebung wurde nur drei Tage zuvor beschlossen und war trotzdem ein riesiger Erfolg.
8. Juni 1986: In einer Presseerklärung schreiben die „Bauern und Verbraucher“: „Unsere Sorge um die Bedrohung der Lebensgrundlage und der Existenz der landwirtschaftlichen Betriebe wurde durch den Skandal vom 4. Mai erneut entfacht. Sie wurde durch die Beschwichtigungs- und Desinformationspolitik der Landesregierung und der Betreiber nicht geringer. Im Gegenteil wurde sie verstärkt durch erneut hohe Meßwerte am 21. Mai und am 6. Juni."
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Zusammen mit anderen Initiativen wurden mehrere Regenbogenfeste organisiert
Die realen Einflussmöglichkeiten der GAL auf energiepolitische Entscheidungen, waren jedoch im Rahmen der Kommunalparlamente gering und bescherten uns darüberhinaus jede Menge zusätzlicher Arbeit. Nur wenige Zeitpriviligierte konnten sich ein gleichbleibendes Engagement in BI und GAL leisten. Außerdem nahm die von uns in Anspruch genommene Überparteilichkeit Schaden, da einige BI-Mitglieder andauernd als GAL-Mandatsträger in der Presse zitiert wurden. Und dies, obwohl es sich bei der GAL um eine kommunale Wählergemeinschaft, also um eine eigenständige Organisation handelte. Unser Ansatz, über Parteischranken hinweg den Widerstand zu verbreitern, gestaltete sich nun überaus schwierig, da Mitglieder und Sympathisanten anderer Parteien in uns Konkurrenten sahen und auf Distanz gingen.
Vielleicht war deswegen unser GAL-Engagement ein Fehler. 1989 löste sich am Ende der Legislaturperiode die GAL auf. 95 % der Öffentlichkeit haben ohnehin nicht wahrgenommen, dass GAL und Grüne zwei verschiedene Organisationen waren.
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1987: Informationsveranstaltung im ganzen Land
Seit Anno 1986 heißt es nun also auch im April: "Alle Jahre wieder ..."
Denn der 26.04. ist der
'Tschernobyl Jahrestag'
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Am 29.08.2008 in Hamm/Uentrop - Auftrieb der Großkopferten beim THTR
Flugblatt zur Einweihung einer schicken RWE-Großbaustelle durch Bundeskanzlerin Angela Merkel.
In Hamm/Uentrop soll ein neues, tolles, innovatives und natürlich ganz besonders grünes Kohlekraftwerk gebaut werden.
Ja, fast genau da wo uns das, vor dreizig Jahren auch ganz neue, tolle und innovative Atomkraftwerk der 'THTR-300' anstrahlt ...
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Jede Herrscher-Generation baut sich ihre eigenen Denkmäler.
Früher waren riesige Pyramidengräber 'in', dann wurden den applaudierenden Massen Bäder und Theater, den Hofschranzen Burgen und Festungen gebaut, Gefängnisse, Kasernen und Rüstungsfabriken gab es für die weniger Privilegierten.
Nach der Aufklärung wurde wieder verstärkt in Musentempel investiert, später dann kamen, lobenswerter Weise, Krankenhäuser und Schulen in Mode, noch später leider auch Müllverbrennungsanlagen und Atomkraftwerke.
Heutzutage finden unsere Mächtigen scheinbar gigantische Industrie- und Kraftwerksruinen ganz toll!
Soweit alles klar, nur eines irritiert mich an der Geschichte; Warum, zum Teufel, machen die das seit 50 Jahren besonders gern im schönen Lippetal?
Für die Arbeit an 'THTR Rundbrief', 'reaktorpleite.de' und 'Karte der nuklearen Welt' braucht es aktuelle Informationen, tatkräftige, frische Mitstreiter unter 100 (;-) und Spenden. Wer helfen kann, sende bitte eine Nachricht an: info@reaktorpleite.de
Spendenaufruf
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Verwendungszweck: THTR Rundbrief
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